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Die Reise ins Kloster
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Die Reise ins Aloster

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Jürgen schüttelte den Kopf. Papa bringt uns hin und holt uns wieder ab!

Es entstand eine nachdenkliche Pause, und dann lachten wir vergnügt. Papa war nicht immer gerade ein sehr bequemer Vater, man mußte ihm aufs Wort gehorchen. Im Damenllostcr zu seiu ohne ihn diese Aussicht erschien uns also nicht gerade unangenehm.

Auch schon der Gedanke an die Reise stimmte uns freudig, uud alle Welt nahm an unserm Vergnügen teil. Die ältern Brüder lachten zwar etwas be­leidigend, als ich von Line, unserm Mädchen, verlangte, daß sie meine gesamte irdische Habe, meinen Winterhnt nnd meinen Nadmantel einpacken sollte. Sie sagten, es wäre Juni, und da brauche man keine Wintersachen. Ich meinte gekränkt, die Klosterdamen sollten doch meinen neuen Hut sehn, der so wunder­hübsch wäre. Aber Line hielt es mit den Brüdern, betrachtete auch miß­trauisch eine halbgefüllte Flasche mit Tinte, die ich ihr ebenfalls hingestellt hatte.

Ich muß doch an Mama schreiben! rief ich eifrig, während Jürgen vier dicke alte Bücher in den Koffer warf.

Gott in hohen Himmel, was bringt der Jung mich da! murrte Line. Meint das Kind, in so'n Koffer gehe allens?

Ich will Blumen pflücken nnd pressen! bedeutete sie Jürgen, aber auch seine Bücher wnrden verachtet. Blumens kannst auch hier pflücken; dazu geht man nich auf Reisen, um so'n Unsinn zu macheu. Nuu bringt mich man was Vernünftiges her, sonst werdet ihr nie uud nimmer fertig, uud dann fährt Papa ohne euch!

Diese Drohung verfehlte nicht ihre Wirkung, uud wir kamen allmählich zu der kummervollen Überzeugung, daß nicht alles, was wir so leidenschaftlich liebten, uns auf die Reise begleiten könne. Der Koffer war wirklich schreck­lich klein wie konnte nur der Sattler so kleine Koffer machen! Aber es half nichts, wir mußten nus in diesen Umstand fügen. Selbst der lebendige Lanbfrosch, den mir Heinrich in einem Anfall von Rührung zumSpielen" auf der Reise geschenkt hatte, mußte zu Hause bleiben, weil sein grünes Glas nicht mehr in den Koffer ging. Heinrich nahm sein Geschenk wieder, gab mir aber nun statt dessen vier weiße Mäuse, die ich in einem Pappkasten auf dem Schoße halten könnte. Eigentlich konnte ich Mänse nicht leiden, aber da ich wußte, daß Heinrich Wert auf seinen Besitz legte, so wollte ich sie doch nicht zurückweisen. Jürgeu uahin danu noch als Handgepäck eine Schachtel voll Grashüpfer mit, während nns Hans zur Reise einen Pferdezttgel schenkte.

Am andern Morgen hielt Hinrich früh vor der Thür, und wir waren sehr verschlafen. Ich war den letzten Abend spät ins Bett gekommen, weil ich bei mehreren Freunden lange Abschiedsbesuche gemacht hatte. Auch hatte ich noch etliche Thränen vergossen über eine der vielen Enttäuschungen, die selbst ein Kinderleben nicht verschonen. Eine alte Freundin hatte mir als