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Die Zudenfrage eine ethische Frage
kommen braucht. Nur muß dieser Prozeß rascher als bisher vor sich gehn, wenn dem Antisemitismus mit Erfolg begegnet werden soll.
Die jüdische Empfindlichkeit, die sich überall sofort zeigt, wenn irgendwo über jüdische Schwindler geschimpft wird, muß unbedingt aufhören, mau muß die Ansicht aufgeben, daß es Ehrenpflicht jedes Juden sei, seine Glaubensgenossen den Christen gegenüber zu verteidigen, auch wenn sie Schurken sind. Während dem Juden gestattet wird, über christliche Mörder oder Diebe zu schimpfen, wird in der jüdischen Presse sofort Lürm geschlagen, wenn einem jüdischen Bankier oder Gewehrfabrikanten Schwindel vorgeworfen wird. Zeigt sich dann, daß der Mann wirklich schuldig war, so wenden die Juden wohl ein, daß man nicht verallgemeinern dürfe, daß jeder Schluß aus dem Einzelfall auf das allgemeine unlogisch und übereilt sei, und darin haben sie ja natürlich Recht. Aber sie stören selbst diesen Jdeengang, indem sie von vornherein für den Glaubensgenossen eintreten, anstatt den Beschuldigten einfach den Gerichten zu überlassen, mit andern Worten, indem sie jede Privatsache zu eiuer öffentlichen Angelegenheit aufbauschen, sowie einer der Beteiligten ein Jude war. Wenn ein Christ beleidigt wird, so ist das natürlich seine Sache; wird aber einem Juden ein Haar gekrümmt, so stößt die gesamte jüdische Presse einen Schrei der Entrüstung aus. Diese Empfindlichkeit verhindert zugleich jede sachliche Erörterung und macht jede Verständigung unmöglich. Einen krassen Beweis von dieser Empfindlichkeit liefert die Wucherfrage. Als im Jahre 1887 der Verein für Sozialpolitik, der die hervorragendsten und tüchtigsten Nationalökonomen der Gegenwart zu seinen Mitgliedern zählt und über den Vorwurf des Antisemitismus gewiß erhaben ist, auf Gruud eines im Jahre 1886 ausgesandten Fragebogens einen Sammelband über den Wucher auf dem Lande veröffentlichte, worin eine Reihe der haarsträubendsten Einzelheiten mitgeteilt wurde, hatte die jüdische Presse nichts eiligeres zu thun, als die Ergebnisse dieser Forschungen anzuzweifeln, ja geradezu zu leugnen, daß es überhaupt Wucher auf dem Lande gebe. Es hätte nur noch die Behauptung gefehlt, daß die Dvrfjuden in Wahrheit die Wohlthäter und Freunde der Bauern seien, und daß sich die Bauern gar keine Änderung ihrer Lage wünschten. Ja selbst diese Behauptung wurde von einem jungen Adepten der Staatswissenschaften, wenn auch in verblümter Form, vorgebracht. Dieses beharrliche Leugnen muß unbedingt endlich aufgegeben werden.
Doch damit wäre erst eine Verständigung angebahnt, aber die Judenfrage noch lange nicht gelöst. Die ehrliche jüdische wie die ehrliche antisemitische Presse muß es als ihre Aufgabe betrachten, das gemeinschädliche Treiben der Börsenspekulant^,, der Wucherer und des käuflichen Preßbengeltums rücksichtslos ans Licht zu ziehn und, wenn auch mit Ausschluß persönlicher Denunziationen, an den Pranger zu stellen.
Wenn die Judeu so den Kampf gegen die Korruption und Ausbeutung