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Robert Schumanns gesammelte Schriften
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Robert Schumanns gesammelte Schriften

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an ihn darüber:Kritisiren nach dein ersten Hören eines solchen Stücks kann ich nicht aber mich ganz hingeben. Dann drängt sich mir wohl ein Bild auf, und daß ichs nicht verschweige, welches es war, das einer Grazie, die auf Augenblicke, wie sich selbst vergessend, von leidenschaftlichern Regungen ergriffen wird, sodaß sie wie die Muse selber anzusehn ist; gleich malen möchte ich es." Wohl versteht er es auch, ein Musikstück mechanisch zu zergliedern, und dabei verschmäht er es nicht, den geringsten Unregelmäßigkeiten in seinem Bau nachzuspüren. Doch hält er immer die für die höchste Kritik,die durch sich selbst einen Eindruck hinterläßt, dem gleich, den das anregende Original hervorbringt. Das ist sreilich leichter gesagt als gethan und würde einen nur hvhern Gegendichter verlangen." Er selbst war aber ein solcher Dichter, und darum kann man feine Kritiken mit Genuß lesen, selbst ohne die besprvchnen Musikstücke zu kennen. Aber man wird höchst begierig gemacht, sie kennen zu lernen, man möchte sich womöglich eine kleine Bibliothek anlegen von all den Kompositionen, die in Schumanns Schriften genannt sind. Darum hat Jansen mit Recht der neuen Ausgabe viele Notenbeispiele hinzugefügt, besonders aus Werken, die nicht in jedem Notenschranke zu finden sind.

Schumanns Kritiken erschienen zuerst im Jean Panischen Gewände, aber das legte er mit der Zeit ab. Sein Stil wird später ganz anders, er ge­winnt ein wahrhaft klassisches Gepräge, er ist anmntig, glänzend, ruhig, klar und überzeugend. Man lese mir die in Wien geschriebne Vorrede zum Jahrgange 1839, den Aufsatz über Schuberts <ü-äur-Symphonie oder die goldnen Haus- und Lebcnsregeln. Daß sich ein Schriftsteller von unfreier Nachahmung eines einflußreichen Vorbildes so zur Selbständigkeit erhebt, dafür wird es wohl mir wenige Beispiele geben. Moltke gehört zu ihnen, dessen erste Abhandlung (Holland und Belgien seit ihrer Trennung nnter Philipp II.) ebenso gut von Schiller verfaßt sein könnte; aber schon seine türkischen Briefe zeigen volle Selbständigkeit des Stils. Beiden gemein ist auch ein reiches Gemüt und eine Fülle von Humor. Namentlich den Tadel kleidet Schumann gern humoristisch ein.Herz, mein Herz, warum so traurig?" ruft er bei dem in der ernsten Tonart D-moll gehenden Klavierkonzert von H.Herz, und weist dann nach, daß das ganze Werk aus Reminiseenzen zu­sammengeflickt ist.Sogar eine Stelle ans Beethovens nennter Symphonie kommt darin vor, die doch Herz gewiß nicht kennt." Von einer Sonate eines andern sagt er, der letzte Satz würde neu sein, wenn es keinen letzten aus der ?-mol1-Sonate von Beethoven gäbe; über eine Serenade von Tedesco: Wer kein Musiker ist, sollte nicht musiziren"; von Balfe:Er ist ein wahrer musikalischer Taugenichts." Welch ein Humor, wenn er einen Kantor vom Lande in die Musikstadt kommen läßt:man legt ihm Neustes vor, von nichts will er wissen, endlich nimmt er eine Sonate mit, die erste von Chopin (ox. 35). Zu Hause fällt er her über das Stück aber schon nach der ersten Seite