Die akademische Kunstausstellung in Berlin
177
Kunst gewährt. Man hat in Berlin, München, Paris und London schon Sammelausstellungen der Werke Adolf Menzels gesehn; aber keine ist in ihrem Inhalt und nach ihrer äußern Einrichtung kläglicher ausgefallen, als die auf der letzten Ausstellung der Akademie. Knans ist mit einer stattlichen Anzahl älterer und neuerer Werke vertreten; aber sie lassen nicht erkennen, worin eigentlich die nationale Bedeutung dieses Meisters für uns liegt. Es siud meist Bildnisse von Herren, Damen und Kindern aus deu Kreisen der Berliner Geldaristokratie, an und für sich fesselnd durch die scharfe, geistvolle Charakteristik, die so viel vom innern Leben giebt, als überhaupt herauszuholen ist, und durch die bestechende Technik, die geschmackvolle Anordnung, die zwar aus dem Studium der alten Niederländer, insbesondre Terborchs und Meissouiers, abgeleitet siud, daneben aber auch einen modernen und einen persönlichen Zug haben. Aber von dem Geuremaler Knaus, der früher so tief in das deutsche Volkstum und die deutsche Volksseele hineingeschaut hat, daß die Franzosen vor solchem Bildern wie vor neuen Offenbarungen standen und ausnahmsweise einmal nicht von Nachahmung ihrer Kunst und von deutschen Philistern reden konnten, sieht man in dieser Sonderausstellung nichts. Die kartenspielenden Schusterjungen, ein altes, durch den Stich verbreitetes Bild, nnd die Schulknaben, die auf dem Erdboden liegend mit einander raufen, bieten für diesen Ausfall eine nur mäßige Entschädigung, wenngleich der Humor dieser Darstellungen in einer Zeit, wo der Mehrzahl der deutschen und ausländischen Genremaler der Humor gäuzlich abhanden gekommen zu sein scheint, dankbar begrüßt werden muß.
Am reichsten und vielseitigsten ist die Sonderausstellung Ednard von Gebhardts gestaltet worden, auf den alle, die es mit unsrer Kunst ernst meinen, mit nicht geringerm Stolze blicken als auf Menzel und Knans. Je mehr sich Fritz von Uhde, von dem man eine Verinnerlichung der religiösen Malerei in Übereinstimmung mit der modernen Anschauung von der Gleichberechtigung aller Menschen vor dem Mittler erwartete, in naturalistische Schrullen und koloristische Experimente verliert — der „Ostermorgen" (Christus erscheint der Magdalena als Gärtner) ist ein besonders bezeichnendes Beispiel für die letzten Ausartungen seiner Manier —, desto höher steigt Eduard von Gcbhardt in unsrer Schätzung. Wie Uhde, bietet uus auch Gebhardt meist nur Malerei ans zweiter Hand. Aber die erste Hand, aus der er sie entnimmt, ist doch eine deutsche, während wir bei Uhde niemals vergessen und übersehen können, daß er seinen Naturalismus nicht der Natur, sondern zuerst den Franzosen abgesehen hat. Gebhardt hat dagegen sein Bestes von den alten, uns stammverwandten Niederländern, von Dürer und von Holbein gelernt, und da man durch Hasser und Neider den Wert seines eignen Besitztums am besten kennen lernt, wissen wir auch längst, was wir an Holbein besitzen, zu desseu einsamer künstlerischer Höhe alle Prahlsucht der Franzosen ihren Jean Clouct Grenzboten 111 1392 23