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Ohne Ideale
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G>,nc Ideale

lich die Parlamentsherrschaft hervorginge war beilänfig gesagt eine Macht-, aber keine Rechtsfrage. Die Whigs wiederum konstrnirten sich ein Recht auf Revolution, das diegrvße Nebellion" uud die sogenannteglorreiche Revo­lution" von l688 (an der dieser Name wohl das glorreichste ist) rechtfertigen sollte, uud zwar aus der Theorie von der Entstehung des Staats durch Ver­trag zwischen dem Herrscher und dein Volke, dessen Rechtsverbindlichkeit auf­höre, sobald er von der einen Seite, in diesem Falle vom König, verletzt worden sei. Whigistisch aber waren die großen Städte und ein Teil des hohen Adels, die trotz der königstreuen Gesinnung eines großen Teils der Bevölke­rung dieglorreiche Revolution" machten, weil ihnen an der Behauptung ihrer parlamentarischen Rechte, d. h. ihrer Macht, alles lag. Welchen ver- hnngnisvvllen Einfluß die radikal-deinotratischeu Theorien Nonsseaus auf deu Gang der französischen Revolution gehabt haben, ist bekannt, aber sie würden ihn niemals geübt huben, weuu sie uicht den Interessen des großstädtische» Proletariats entsprochen Hütten. In Deutschland gewannen politische Theorie» erst in diesem Jahrhundert praktische Bedeutung, namentlich seit dein Ein­brüche des französischen Liberalismus in den dreißiger Jahren; aber anch hier wurzeln die Parteien, die sich allmählich gebildet haben, weniger in bestimmten Theorien, als in den Interessen der einzelnen Gesellschaftsgrnppen. Die Konservativen vertreten im ganzen die Elemente einer ältern Knltnr, also das platte Land, Adel und Bancrn mit ihren landwirtschaftlichen Interessen, nnd das städtische Handwerk, die Liberalen der verschiednen Schattirnngen die neu aufkommende Kultnrmacht des Bürgertums oder vielmehr seine kapitalistischen und industriellen obern Schichten, die Sozialdemokratin» die städtische Arbeiter- bevölkerung. Nur die Ultramontaneu wissen die verschiedensten Elemente in Stadt und Land unter einem Banner zu vereinigen. Ähnliche Gruppen sind im christlichen Enrvpa immer vorhanden gewesen. Im früherm Mittelalter stand das nltmmvntane Papsttnm mit einem Teil des Klerus gegen das deutsche Königtum, d. h. den deutschen Staat, in deu später» Jahrhnnderten der Adel gegen die Städte, »nd iu den Städten die Handwerker gegen die Großhändler. Damals wnrde der Kampf oft mit den Waffen in der Hand geführt; heute, wo die staatliche Souveränität allein das Waffenrecht übt, sind die alten Gegensätze zu parlamentarischen Parteieu abgestumpft.

Allerdings habe» alle diese Parteieu iu der Neuzeit immer bestimmte allgemeine Ziele, Theorien, Ideale ans ihr Banner geschrieben, was ihnen im Mittelalter nicht einfiel, und sie thnn es noch. Dabei sind aber mehrere von ihneu allmählich iu eine gewisse Verlegenheit geraten. Denn wenn man fragt, welche Parteieu heute »och wirklich volkstümliche, die Masseu bewegende uud beherrscheude Ideale habe», gleichviel ob ihre Verwirklichung im allgemeinen wünschenswert ist oder nicht, so können darnnf leider eigentlich nur noch zwei im vollsten Siune Anspruch erheben, nämlich die Nllramontanen nnd die