Der Untergang der alten Welt
539
zu behaupten, wichen den Großgrundbesitzern und strömten in Massen nach Rom, wo sie sich nur zu bald iu eiu faulenzendes, unruhiges, verwöhntes Proletariat verwandelten, denn auch den Zutritt zum Gewerbebetriebe versperrte ihnen die Sklavenarbeit oder eingewurzeltes Vorurteil. Ans dem Platten Laude aber ballten sich die kleinen Güter in den Händen der Nobilitüt und des Ritterstandes zn ungeheuern Latifundien zusammen, die nun fast ganz von Sklaven bearbeitet wurden und, soweit sie sich nicht in Parks und Wildgehege verwandelten, wesentlich als Viehweide eingerichtet wurden, denn selbst für den Großgrundbesitzer lohnte in Italien der Getreidebau nicht mehr genügend. So wurde Italien längst vor dem Fall der Republik für die Volksernährung in ähnlicher Weise von dem Auslande abhängig, wie das heutige England, und es war seitdem eine Lebensfrage für die Regierung, die Getreidezufuhr offen zu halten. Das Mark seiner Volkskraft aber wurde zerstört. Der italische Bauernstand, der mit seinem Blute die punischen Kriege gefochten und das Weltreich hatte aufrichten helfen, ging eben an diesem Weltreiche bis auf eiuige Reste zu Grunde, so gut wie der englische, der einst die französischen Kriege geführt und später dem Absolutismus des Königtums zu Gunsten der Land- und Geldaristokratie widerstanden hatte. Aus diesen heillosen Verhältnissen ging die Revolution und endlich die Monarchie hervor. Nur die kräftigsten Elemente suchten und fanden neuen Ackergrnnd und eine neue Heimat in dem alten Keltenlande am Po, im südlichen Gallien und im südlichen Alpengebiet, wie der englische Landmann jenseits des Ozeans. Noch heute trügt das eigeutliche Italien den Schaden in den ganz ungesunden Verhältnissen des platten Landes und in der Verödung der römischen Ccunpagna, die zur Zeit des kleinen bäuerlichen Grundbesitzes eine blühende Ackerbanlandschaft gewesen ist. Furchtbare soziale Revolutionen, die sogenannten Sklavenkriege, erschütterten seitdem Italien mehrmals; sie wurden blutig niedergeworfen und wiederholten sich in der Kaiserzeit nur in geringerm Maße, weil die Regierung stärker war, und weil der langdauernde Friede den wirtschaftlichen Verhältnissen größere Stetigkeit verlieh.
Denn das ist ja nun das größte Verdienst des römischen Weltreichs, daß es in der Kaiserzeit dem ganzen weiten Völkerkreise rings um das Mittelmeer nach endlosen erschöpfenden Kriegen den Frieden gesichert hat. Etwa zwei Jahrhunderte hindurch hat das Reich nur Grenzkriege geführt, nur selten erschütterte ein Thronkrieg die Lande. Begünstigt noch durch ein großartiges Straßennetz blühte der Verkehr, und waren es nicht alternde Völker gewesen, man könnte namentlich die erste größere Hälfte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. als die glücklichste Periode der Menschheit preisen, wie es ja wohl auch geschehen ist. Die Römer waren sich dieses Erfolges denn auch bewußt. Was sie denn eigentlich mit ihrer Empörung gewollt Hütten, so redete der siegreiche Feldherr Vespasicms, Petilius Cerialis, den gedemütigten keltischen