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Miltiades für uns einen vollern Klang hcit, als der des Eumenes, so sind auch die Ausgrabungen auf der Akropolis von höherer Bedeutung, als alles, was seit Schliemanns Entdeckungen aus griechischem Boden gefunden worden ist.
Die Zeit der Perserkriege wurde für Griechenland nnd besonders für Athen eine unversicgliche Quelle des Ruhms und der Begeisterung. Die dichtende und bildende Kunst wetteiferten mit einander, den herrlichen Sieg zu feiern. Bis zn uns tönt der Schlachtruf von Salamis in den Persern des Aeschylos, und die Todesfreudigkeit der Helden, die bei Marathon und in den Thermopylen kämpften, begeistert noch unsre Jugeud in Herodots Erzählungen. Vergänglicher waren die Denkmäler, die nach dem Sieg auf dem Schlachtfeld oder in den großen Volksheiligtümern Griechenlands aufgerichtet wurden. Nur von dem Weihgeschenk, das die Sieger vou Platää nach Delphi weihten, ist die eherne Schlange, die den goldnen Dreifuß trug, uoch jetzt in Konstantinopel zn sehen. Die Siegeszeichen ans den Schlachtfeldern dagegen sind verschwunden. Man kennt auf Salamis nicht einmal mehr die Stelle, wo das Tropaion errichtet wurde. In den Thermopylen erkennt man zwar noch den Hügel, auf dem sich die letzten Spartiaten nm die Leiche ihres Königs Levnidas drängten, aber von dem Marmorlöwen, den Hervdot dort sah, ist kein Splitter erhalten. Und auf dem Schlachtfelde von Marathon erhebt sich auch nur uoch der Grabhügel, der die Gefalluen deckt, nnd der Unterban des Siegesdenkmals. Erst bei den Ausgrabungen auf der Akropolis ist das Siegesdenkmal gefnndeu worden, das die Athener bald nach dem Kampf auf die Burg weihten nnd das bei der Zerstörung der Stadt durch die Perser in Stücke geschlagen wurde.
Im Aufauge des Jahres 1886 fand man westlich vom Erechtheion zahlreiche Bruchstücke einer marmornen Reiterstatue. Aus etwa fünfundzwanzig Stücken hat man wenigstens den Unterkörper des Reiters nnd den Vorderleib seines ruhig dahinschreitenden Vferdes zusammenfügen können. Die erste Abbildung davou giebt Studuiezka im sechsten Bande des Jahrbuchs des Kaiserlich Deutschen Archäologischen Instituts (1391) auf Seite 240 und 241. Das Standbild ist etwas unter Lebensgröße. Der Reiter trägt knapp anliegende, gemusterte und bunt bemalte Beinkleider und Halbstiefel; au der linken Hüfte hängt ein schmaler Köcher. Brvnzezusätze, die ursprünglich gewiß vergoldet waren, schmückten die Schuhe uud den Gürtel des Maunes, die Mähne und den Zanm seines Pferdes. Die Tracht und die Bewaffnnng beweisen, daß der Reiter ein Perser ist, und unwillkürlich denkt man bei diesem Stnndbilde, das mit der Kuust des reifsten Archaismus gearbeitet und von den Persern mit ganz besondrer Wut zertrümmert worden ist, an ein Siegesdenkmal der Athener für die Schlacht bei Marathon. Diese Vermutung erhält durch ein Vnsenbild eine unerwartete Bestätigung. Auf einem Teller des Ashmolean-Museums in Oxford sehen wir nämlich eben diesen Pcrser- reiter abgebildet, in gleicher Tracht und mit voller Bewaffnung, und um das Bild zieht sich die Zuschrift /l/,.^,.«6^ /c«^>, Heil Miltiades! Durch die Übereinstimmung zwischen dem Standbild uud dem Vasenbild und durch die Beischrift, die Miltiades als Sieger feiert, wird der letzte Zweifel daran beseitigt, daß das in Trümmern wiedergefundne Reitcrbild in der That der Nest des Siegcsdenlmnls der Athener für die Schlacht bei Marathon ist.
Sollten aber die Athener znr Erinnerung nn den glänzenden Sieg nur das Einzelbild eines persischen Reiters auf der Akropolis aufgestellt haben? Und ist es nicht wunderbar, daß sie gerade einen Perserreiter weihten, da doch bei Marathon nur das persische Fußvolk kämpfte und die gefürchteten persischen Reiter gnr nicht