Zum Volksschullärm
eder Versuch, den verhängnisvollen Paragraphen 26 der preußischen Verfassung auszuführen, bleibt unter allen Umständen ein gefährliches Wagnis; ein solcher kann sehr leicht die Idee des modernen Staates acl adsuräum führen. In den Miniatur- stätlein des Altertums, aus denen sie erwachsen ist, hatte es bei der Gleichartigkeit der Bildung, Weltansicht und Lebenslage sämtlicher Staatsbürger nichts widersinniges, die paar hundert oder paar Dutzend Bürgersöhne nach einer Schablone und in einem Geiste zu erziehen (Sparta hatte ursprünglich 9000, zur Zeit des Königs Agis nur noch 700 Bürger). Aber schon Rom raunte keine „nationale" Erziehung von Staats wegen. An eine Uniformirnng der Erziehungsanstalten des römischen Reiches war erst gar nicht zu denken; erfreute sich doch jedes der unterworfuen Völker des ungehinderten Gebrauchs seiner Sprache, der ungestörten Ausübung seiner Religion und eines reichlichen Maßes von Selbstregierung. Das Mittelalter hatte kaum Staaten, geschweige denn Staatsschulen. Die meisten modernen Staaten gestatten die Errichtung von Kirchen- und Privatschuleu nebe» den Staatsschulen, und sogar das im übrigen so stark zentralisirte Preußen hat seinen nach und nach erworbnen Provinzen ihre ursprünglichen Schulverfassungen gelassen und sie nur unter die Aufsicht der Bezirksregierungen gestellt. In Schlesien z. B. fand Friedrich der Große das katholische Schulwesen als Anhängsel der Kirche vor, und seine Verordnungen haben diesen Zustand bestätigt. Der Lehrer blieb ans das Schulgeld uud auf seine Küsterbesoldung angewiesen, das General- vikariatamt stellte ihn an, die Schulaufsicht wurde ausschließlich von Geistlichen geübt, denn auch der Negierungsschulrat mußte ein Geistlicher sein, und Grenzboten I 1892 S9