Goethes Straßburger lyrische Gedichte
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Musenalmanach ans 1770. Jeder erkennt, das; Goethe hier, wo es sich nm den jetzigen Augenblick handelt, nicht das sinngemäße jetzo, sondern nur das gleichbedeutende, ans itzeut verkürzte itzt setzen konnte, auch wenn es ihm nicht der Reim (besitzt) an die Hand gegeben hätte. Daß es sich hier um deu Reim handelt, war der absprechenden Kritik gar nicht in den Sinn gekommen. Merkwürdig ist es, daß Goethe in der zweiten Bearbeitung der „Jphigenie" immer izo und izt hat. Im „Pater Brey" braucht er auch einmal jetzunder als Reim auf unter. So wenig beweist itzt gegen Goethe. Nicht der Rede wert ist, was man sonst gegen das hübsche Gedicht eingewandt und auf die Schultern des Sündenbocks Lenz geladen hat. Die eisersüchtige Frage: „Wo triumphirt das Städtchen?" soll etwas von dem „gezierten und gepuderten" Stil der Anatreontik an sich haben, der nicht einmal in Goethes Leipziger Liedern ganz ausgeprägt sei. Triumphireu steht ganz wie triompksr im Sinne von „frohlocken", ohne Beziehung auf einen Sieg. Gegen das volkstümliche „will keine Sonne scheinen" wird angeführt, diesem entspreche in dem Liede, das man gleichfalls von Goethe auf Lenz überschrieben hat, der Ausdruck, die Sonne scheine schwarz, und doch ist hier von einem sonnenlosen Tage, dort von bloßer Einbildung des Verzweiseluden die Rede. Zu der Wendung, der Himmel weine vereint mit ihm der Geliebten nach, stimmen dem Kritiker des Goethe-Jahrbuchs die Worte des Lenz-Gvethischen Liedes: „Weinet voll Verlangen und voll Verzweiflung dort dir nach." So muß das geläufige nachweinen beweise», daß beide Gedichte von Lenz sind, während sie nach der Überlieferung freilich demselben Dichter, aber Goethe angehören. Der Ausdruck ist nn beiden Stellen durch die Verbindung, in der er steht, gehoben, an unsrer wird in echt volkstümlicher Weise das Regnen als ein Mittrauern des Himmels gedacht. Doch was kümmert dies den grausamen Verfolger des Liedes, für dessen Schönheit er kein Auge hat? Er sucht mir nach einem Häkchen, woran er einen wenn auch nvch so fadenscheinigen Verdnchtsgruud anknüpfen kann. So geht es lustig weiter. „Schvn rufen Hirt und Herden" scheint ihm eine Floskel der Schäferpoesie, die er dem Straßburger Goethe uicht zutrauen möchte. Es ist aber nichts weniger als eine Floskel; der von der unendlichen Liebenswürdigkeit der Geliebten erfüllte Dichter glaubt dies wirklich vor sich zu schauen, in der Weise, wie schwärmerische Liebende selbst Bünme und Felsen anzurufen pflegen, als ob sie mit ihueu fühlten. Um ja nichts u»getadelt zu lassen, als müsse das Lied recht schlecht sein, um Lenz anzugehören, macht zuletzt noch der Eingang Bielschvwsky stutzig „mit den vier Fragen, die mit demselben Fragewort eröffnet werden." Dein Liebenden, der gern wissen möchte, wo sein unvergeßliches Mädchen im Augenblicke weilt, will er nicht gestatten, sich iu leidenschaftlichen wiederholten Fragen zu ergehen, und dvch thut das dieser sehr glücklich, indem er zuerst fragt, wo sie sei und nach ihrer muntern Weise singe, dann welche Flur oder welches Städtchen sich augenblicklich ihrer