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Joseph Joachim der Bauerndichter
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erfassen will, der muß mehr Leute und andre Stände als die Bauern kennen, der muß aus dem engen Dorfe hinaus in die weite Welt gekommen sein. Wer sich einmal so objektiv zum Bauerntum gestellt hat, daß er es in seiner Beschränktheit erfaßt hat, der ist innerlich kein Baner mehr und wird zu dem harten und schweren Berufe und in die empfindliche Enge des Bauernlebens nicht mehr zurückkehren können. Ergänzt doch der Bauernstand, wenn er es einmal zu einiger Wohlhabenheit gebracht hat, seit den ältesten Zeiten die vor­nehmern Stünde des Klerns und der Staatsbeamten, ist doch sein Ehrgeiz geradezu eine seiner typischen Eigenschaften.

Wenn wir nnn in der nenesten Litteratur auf eine» Mann stoßen, der sich als ein Ebenbürtiger an die Seite der Besten stellen darf, die je Dorfgeschichten geschrieben haben, an die Seite Gotthclfs, Anzengrubers und Roseggcrs, und der dabei in voller Wirklichkeit ein Baner geblieben ist, ein Mann, der den Pflng nicht ans der Hand gestellt hat, auch nachdem er kunstvoll mit der Feder hatte schaffen lernen, so dürfen wir billig über den seltsamen Bauer verwundert sein, und es ist wohl gerechtfertigt, wenn wir ihn uns etwas näher betrachten. Joseph Joachim heißt dieser seltne Bauersmann, von dem im vorigen Jahre in rascher Folge mehrere Bücher^) erschienen sind, darunter eines (Die Brüder"), das ganz besondre Aufmerksamkeit verdient.

Zu Hause ist Joachim in der Schweiz, nnd da im Kürschnerischeu Aller- weltskaleuder nicht einmal sein Name angeführt ist, so geben wir einige bio­graphische Mitteilungen über ihn. Er wurde als das jüngste von sechs Ge­schwistern in Kesteuholz, einem freundlichen Bauerndorfe des solothnrnischeu Buchsgnus, am 4. April Z835 geboren.In der Anfangsschulc schreibt er selbst verriet der an einem Angenübel leidende Knabe nur wenig Talent; desto rascher und kräftiger begann er sich in der damals noch sehr primitiv gestalteten Sekundärschule (Nenendorf), die gleichzeitig auch von dem nach­maligen Lehrer und Volksdichter Bernhard Wyß, dem frühverstorbnen Maler B. Stnder und andern wvhlbegabten Knaben besticht wurde, zu entwickeln. Allzugerne wäre der wissensdurstige Knabe »studiren gegangen,« allein das eben wollte sein Vater, ein eingefleischter nnd jedem »Herrentum« abholder Bauersmann, nicht zugeben. Nachdem ihm noch gestattet worden, ein Jährchen »Welschlcind« zu genießen, worden dem angehenden Jünglinge, anstatt der Feder nnd des Schulbuches, Hacke, Dreschflegel uud Pflugsterze in die Hand gegeben, und ihm die Aufgabe gestellt, als angehender Landwirt gegen die anbrechenden schlechten Zeiten anzukämpfen. Er verbauerte vollständig,

*) Loiniy, die Heimatlose. Erzählung aus dem schweizerischen Kultur- uud Volts- leben in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts von Joseph Joachim. Basel, Schwabe, 138!)- Erzwungene Sachen, Novelle. Ebenda, 1890. Die Brüder. Eine Vvlksgeschichte in zwei Büchern, 2 Bde. Ebenda, 1891. - Fünfzig Jahre auf dem Erlen Hofe. Erzählung. Ebenda, 1891.