Maßgebliches und Unmaßgebliches 151
sind, da einzelne Personen Mouatsgehnlte von 4000 bis 8000 Franks beziehen, und zn versichern, daß „die Manege bald die Bühne entthronen" (!) werde. Er versteigt sich zu folgenden Sätzen - „Wenn doch ein kurzsichtiges Mnckertum einst begreifen lernte, welchen Nutzen unsre Arbeit der heutigen Generation gewährt!.., Wenn die große Kunst exislirt — bei uns ist sie zn Hause, bei uns im Museum der Grazie, der Stärke, der Triumphe, der Kühnheit nnd Plastik! Fort mit dem heutigen Theater u. s, w..... In unsern Manifestationen der Kraft, Gewandt
heit und Formenschönheit, die das Volk so unwiderstehlich anzieht, findet ihr den unwillkürlichen Protest gegen die körperliche Degeneration, die uns von den Völkern des Altertums, von den alten Germane», Galliern uud Römern, so weit entfernt; in unsern Produktionen manifestirt sich das unbewußte Streben nach physischer Wiederherstellung einer entnervten Rasse."
Wir bekennen unsre muckerische Kurzsichtigkeit, auch nach dieser Standrede, die ganz gut in einen naturalistischen Roman passen würde, den behaupteteu Nutzen der Schaustellungen noch nicht einzusehen, ja nicht einmal zu ahueu, was sich Herr Otto bei den Sätzen gedacht haben mag. Sollen wir unsere Kinder zu Artisten erziehen? Daß lange Zeit hindurch die körperlichen Übungen vernachlässigt worden sind, und daß es die gesamten heutigen Lebensverhältnisse der Mehrzahl nicht gestatten, zwischen geistiger und körperlicher Anstrengung das Gleichgewicht herzustellen, ist allbekannt; aber wie kaun jemand übersehen, daß in der Gegenwart durch Turuuuterricht uud durch die allgemeine Dienstpflicht dem Mißverhältnis nach Möglichkeit entgegengearbeitet wird! Es wäre nicht der Mühe wert darüber zu redcu, wenn nicht bei der jetzigen Neiguug, im Erziehungs- nnd Uuterrichtsweseu jedem Einfalle Bedeutung beizulegen, befürchtet werden müßte, daß mau „zur Wiederherstellung der entnervten Rasse" allerlei Übuugeu, die unsers Wissens von den Völkern des Altertums nicht gepflegt worden sind, wie Spazieren auf dem Drahtseile, Trapezkünste uud Latto inort-rlo, in den Schulen eingeführt wissen wollte.
Biographische Nachrichten zn erhalten, ist dem Verfasser schwer geworden, weil, wie er sagt, der Artist eine gewisse Scheu hat, mit Familienuotizeu in die Öffentlichkeit zu treteu, uud weil „einzelne Genealogien" vollständig ausgestorbeu sind. Immerhin erfahren wir allerlei Merkwürdiges. So stauneu wir über die Menge von Spezialitäten. Da giebt es Meister in „italischen Spielen"; was ist das? Eine Abart der „Autipodeusviele," bei denen der Künstler mit den iu die Lnft gestreckten Füßen „arbeitet"; wirft er mit den Füßen feine Mitarbeiter iu die Luft und fangt sie wieder auf, so ist das ilarisch! Dann kommen Trapez-Equili- bristinnen, die auf der an Stricken schwebenden Stange sitzen oder stehen, Hand- equilibristinnen, Kopfeqnilibristen, Zahnathleten, Lnftgymnastiker, Leiter- und Per- Pendikularleiter-Equilibristen, Kugelläuferinnen, Mono- und Bichklisten, Neck- turner auf dem Velveiped, Stelzenkünstler. Spatentänzer, Turmseil-. Schlappdraht- nud Doppeldrahttänzer („oben Steif-, nnten Schlappdraht"), Verwandlnngstänzer, Voltigeusen, Saltomorlalisten, Kettensprenger, Kaskadenspringer (Kaskade heißt nämlich „das Rückwnrlsfallen der Clowns mit kräftigem Aufschlag der Hände"), Saufperilleurspriuger (die sich rückwärts überschlage»), Voltigeuseu, Batoudespriuger (Sallomortale über Pferde ,c.), Schulreiter, Stehendreiter, Szenenreiter (Pantomimen zu Pferde), Pnnneaureiter (auf dem breiten Sattel), Barebackreiter (ohne Sattel), Bayonnette-Trnmplin-Springer (hierfür fehlt leider die Erklärung), Luft- schiffer, Taucherküustler, Messerwerferiuueu, Schlangenmenschen, Klischniggs, Knut- schutmenscheu, Dresseure uud Dompteure vou Löwen, Bären, Affen, Hundeu,