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Maßgebliches und Unmaßgebliches
Bea mtenwohnuugeu. Sehr treffend wird in dem Artikel über die Handelsverträge (Heft 51) bemerkt, daß unter den gegenwärtigen Verhältnissen, die das Volk zwingen, seinen Lebensunterhalt mit einer größern Menge angestrengter Arbeit zu erkaufen, alle Gehaltserhöhungen nur Schein seien, da wenn die Gehalte einer Beamtenklasse um zehn Millionen Mark erhöht werden, nicht für diese Summe ueue Güter hervorgezaubert werden. Treffend ist diese Bemerkung jedoch nur, weuu die Gehaltserhohuugen in unproduktiver Weise wie bisher geschehe«, unmlich iu Geldzahlungen. Eine produktive Gehaltsaufbesserung, die zugleich die beste Gehaltsaufbesserung für Beamte» wäre, ist die Beseitigung der Wvhnungsgeldzuschüsse und die Gewährung von Dienstwohnungen mit Gartenland. Das ist in ländlichen Ortschaften uud kleinen Städten, aber auch, dank den vorzüglichen Verkehrsmitteln, in den Großstädten möglich. Neben den Arbeitervorstädten mögen Benmtenvorstädte entstehen, freuudliche Dienstwohnungen mit kleinem Garten, der bei ein- bis zweistündiger täglicher Arbeit im Frühjahr und Sommer mehr gesunde Lebensmittel, Gemüse und Obst liefern kann, als eine Bcamten- samilie verzehrt. Hier mag man nnch den kiinstlerischen Geschmack bei Ausführung der Wohnungen im Sinne der Grenzboten in Anwendung des Fachwerkbaues mit spitzen Giebeln und Holzkerberei sich entfalten lassen. Neben dem produktiven Wert einer solche» Maßregel, die dem Beamten gestattet, seine überschüssige Kraft, statt im Verdampfe» von Tabak oder im Skatdreschen in dumpfen Bierstuben, in der Bewirtschaftung seines Hansgartens unter Beteiligung seiner Familie anzuwenden, steht der hohe sittliche Wert eiues glücklichern Familienlebens. Die meisten, die das Glück gehabt haben, in ländlichem Pfarrhause oder Gutsbesitze aufzuwnchseu, können davou Zeuguis ablegen. Wie viel glücklichere Ideen nimmt ein junger Mensch mit ius Lebe«, wenn er in idyllischer Häuslichkeit aufgewachsen ist, als wenn er die Kaserueuluft im vierten oder fünften Stock eines großen Stein- gebändes geatmet hat, wo vielleicht ein wenig höflicher Besitzer aller Augenblicke sein Hausherrnrecht in Anwendung bringt, oder gar ein grober Thürschließer die Hausbewohner tyrannisirt. In solch gesunder Umgebung aufgewachsene Menschen werden die Wehrfähigkeit eiues Heeres mehr erhöhen, als wenn Millionen für neue Bewaffnung ausgegeben werden.
Der Staat lasse sich nicht mehr »nd mehr die Gelegenheit entgehen, Grundstücke vor den großen Städten zur Ansiedlung seiner Beamten anzukaufen. Wird erst mit dem Ban in größerm Umfange begonnen, so werden auch die Wohuuugs- mieten in der Stadt fallen; dadurch werden auch alle Beamten und Offiziere, die noch gezwungen sind, in nnmittelbarer Nähe ihrer Dienstthätigkeit zu wohnen, eine angenehme Verbesserung ihrer Gehaltsverhältnisse erlangen, ohne daß dies dem Staate besondre Kosten verursacht.
Man schaffe den Beamten freundliche Wohnungen mit Garten, dadurch wird dein zunehmenden Pessimismus in diesen Kreisen wesentlich gesteuert werden. Man hat durch allerlei nützliche Gesetze uud wohlwollende Behandlung reichlich viel in der Absicht gethan, die schädlichen Wirkimgen svzialdcmokratischer Lehren in Arbeiterkreisen abzuschwächen, man hüte sich, daß die Sozialdemokratie nicht in der Beamtenschaft eine gefährlichere Thätigkeit entfalte. Die Ordnung der häuslichen Verhältnisse in der angedeuteten Richtung kann hier sehr viel Gutes stiften.
Eine dreisprachige Zeitschrift. Schweizerische Zeitschriften iu zwei Sprachen sind nichts seltenes, doch erscheinen da für gewöhnlich das Deutsche und das Französische gleichberechtigt, oder bald die eine, bald die andre Sprache als der