Die wahrhaftige Geschichte von den drei wünschen
481
zurückrufen, das große, schöne Haus zu besitzen, dem ich gegenübersaß, und mich einmal satt essen zu können in Pfefferkuchen.
Als ich jenen Tag nach Hanse eilte, fürchtete ich das ärgste von dem Grimm des Herrn Heidermann, der mir bei ähnlicher Gelegenheit schon gedroht hatte, mich fortzujagen, sobald ich wieder meine Pflicht vergessen würde. Diesen Tag sollte das drohende Gewitter ohne Ausbruch über mir dahingehen. Herr Heidermann war ausgefahren und wollte erst spät wieder zurückkommen. Sie müssen wissen, daß mein Tyrann — was wahr ist, muß mau sagen — der nobelste Tailleur war, den man sich denken kann. Er besaß eine nette Equipage und mit einem Kollegen zusammen einen Kutscher, ans dem seiu Genie einen kleinen Hofstaat zu machen wußte, da er ihn vermittelst mehrerer Livreen bald als Kutscher, bald als Reitknecht, bald als Jäger auftreten ließ. Dazn war er ein Patriot und Liberaler, voller Flamme gegen den Servilismns, und zwar einer aus der zahlreichsten Klasse der Liberalen, einer von denen, die, während sie gegen Tyrannei deklmuiren, Tyrannen ihrer Familie sind und aller der Unseligen, die von ihnen abhängen. In seiner äußern Erscheinung war er Kavalier uud Lcbcmauu, wußte trotz einein Grafen durch die Nase zu reden, wenn er den Marqueur rief, in Geberden und Sprache war der große Kunst sein Muster; was soll ich viel Worte machen? er war der Schneider des Jahrhunderts. Auch Madame Heidermann stand uicht im Gerüche des Servilismus. Vor den Augen der Leute waren Herr Heidermann und Madame Heidermann das zärtlichste Paar, woraus ich schon damals, besaß ich mehr Erfahrung, hätte schließet? müssen, sie seien sich im Herzen spinnefeind.
Wie ich schon sagte, war Herr Heidermann, als ich jenesmal zu spät nach Hause kam, ausgefahren. Dazu hatte den Studiosus, der uns gegenüber wohnte und zufällig immer etwas zu fragen und zu bestellen hatte, wenn Herr Heidermann nicht zu Hause war, eben wieder ein solches Geschäft herübergeführt. Da nun Madame Heidermann während seiner Auwesenheit besonders guter Laune zu sein Pflegte, kam ich anch bei ihr heute ohne Strafe, ja selbst ohne Strafrede durch.
Ich habe, sagte der Stndiosns Bellin zu Dame Heidermann, ich habe das Gedicht, das Sie zu dem morgenden Geburtstage Ihres Gemahles wünschten, besorgt. Schicken Sie nur zn Herrn Sterziug im Gewandgäßchen bei Herrn Restaurateur John und lassen Sie das Gedicht holen, von dein ich mit ihm gesprochen habe, daß es eine Dame würde abhole» lassen.
Dies geschah sogleich, und zwar wurde der Auftrag mir. Um mein voriges Ausbleiben gnt zu machen, eilte ich nun desto mehr. Als ich mit dem Gedichte znrücklam, fand ich Herrn Bellin und Dame Heidermann über einem ausgezogenen Sekretärfach gebückt, worin sie sehr angelegentlich etwas zn suchen schienen. Sie fuhren wie erschrocken auseinander, als ich hereiutrat. Herr Bellin hob die Hand hoch auf, in der er eine Stange Siegellack hatte, Grmzbotm IV 1890 61