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Blüten und Früchte der Moderne
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Blüte» und Früchte der Moderne 475

Wer in der allernenesten Litteraturauf dem Laufenden" bleiben will, dem macht das namentlich die in Brunn erscheinende MonatsschriftModerne Dichtung" sehr bequem. Welche Menge vvu Dichtern, fast unübersehbar! Und was das merkwürdige ist, darunter einige, die ganz ohne Sehen noch Freude am Lebeu in dieser Welt verraten. Dn kommen Sachen vor, die »ach nnserm altmodischen Geschmack allerliebst sind. Ich will keine Namen nennen, nm gegen die Träger nicht eine Achtöerklärung heranfznbeschwören. Auch sind sie die Ausnahmen. Das meiste ist sonderbar oder abgeschmackt oder wider­wärtig, manches auch recht heiter.

Vegiuueu wir mit den heiterm Sachen. Jedes Heft der genannten Zeit­schrift hat seinen Heiligen, der im Bilde und in eignen Beiträgen vorgeführt und beweihräuchert wird, das Aprilheft deu Dr. Georg Braudcs. Mit dem Bilde muß aber der Redaktion ein Schabernack gespielt worden sei». Ein schlechter Spaßmacher hat ihr offenbar eine fremde Photographie zugeschickt, vielleicht von dein Herrn, der unlängst sich selbst in einer großen Zeitung solgeudermaße» ausbot:Der Besitzer eines schwunghaften Mvdengeschäftes, Jör., aber vorurteilsfrei, von solidem Charakter und angenehmem Äußern, hoch­fein gebildet, sucht eiue Lebensgefährtin mit vierzig bis fünfzig Mille." Doch welche Bewandtnis es mit dem Bilde haben möge, der AufsatzDonatellv" ist echter Brandes. Er beginnt mit einer Schilderung der Straße von Florenz nach Sau Miuiato: die Stadtliegt da gleich eiuer Mosaikblume im Vodcu einer kostbaren Schale." Nun fragen wir die ungezählten Tausende, die vom Viale dei Colli aus den unvergleichliche» Blick auf das Aruothal genossen haben, ja auch jeden andern, ob ein albernerer Vergleich erdacht werden kann! Aber das ist ja eben das Wesen derGeistreichigkeit," heranzuziehen, was so unpassend ist, daß kein vernünftiger Mensch darauf verfallen würde. Dann belehrt uns der Verfasser, daß der heilige Georg vvu Donatello ein Pracht­werk ist, was natürlich noch niemand gewußt hat, und daß Michel Angelv in seinem David den Georg und in seinem Moses den sitzenden Johannes Dona- tellvs (im Dom)nachgeahmt" hat. Daß der spätere Meister deu früher» studirt, sich von ihm beeinflusseu läßt, ist für Herrn Brandes, der bei dieser Gelegenheit Florenz nach Umbrieu verlegt, Nachahmung. Wie weit überhaupt die Verwandtschaft in beide» Fällen geht, muß hier unerörtert bleiben. Ferner ist nämlich (wer wagte da zu zweifeln!) Shakespeares Heißsporn das Gegen­stück der Renaissance zu Homers Achilles, der St. Georg steht »litten zwischen beiden." Wenn jemand behaupten wollte, Herr Brandes sei das Gegenstück der Moderne zu dem Hanswurst der Stegreifkomödie, so würde das aus keinem Fall weniger Sinn haben. Doch das beste kommt erst.O St. Georg! mein Schutzpatron!" Nichtig, bald hätte ich vergessen, daß Herr Brandes sich Georg nennt!Du, der du preisgegeben dem Eiter (Geifer?) und dein Gift der Drachen, du weißt es, daß die Zeit wird kommen, wo dn wieder einen Lanzen-