Die Gütergemeinschaft in der ersten Christengemeinde
nm ihn zu salben (Matth. 2<>, 6 ff., Mark. 14, 3 ff.). Die Frauen, die zum Grabe Jesu kommen, tragen Spezereien mit sich, die nicht wohlfeil waren (Matth. 28, 1. Mark. 16, 1). Als das geschichtlich Wahre dürfen wir also schwerlich annehmen, daß die Ebioniten damit eine falsche Angabe gemacht hätten, daß sie sagten, sie hätten in den Zeiten der Apostel ihr Eigentum verkauft und zu den Füßen der Apostel gelegt. Und darum dürfen wir auch das nicht mit Baur annehmen, daß in den Berichten der Apostelgeschichte das geschichtlich Wahre „nicht sowohl die Handlung, als vielmehr die der augenblicklichen Handlung zu Grunde liegende Gesinnung und Ansicht von den zeitlichen Gütern" sei. Baur meint, wenn in den Berichten von einem wirklichen Verzichtleisten auf jeden irdischen Besitz, von einer allgemein eingeführten Gütergemeinschaft die Rede sei, so gebe sich darin das eigentümliche Wesen der mythischen Überlieferung kund, die das Konkrete, das sinnlich Anschauliche liebe und darum die Gesinnung durch die That verwirklichen lasse als den Reflex der Gesinnung. Das Thatsächliche in den gesellschaftlichen Verhältnissen der ersten Christen sei also eine ailgemeiue, vou „einzelnen wie von Barnabas auch durch die That bewiesene Bereitwilligkeit, ihr irdisches Gut uud Eigentum für die Sache Jesu hinzugeben und den Zwecken der Gesellschaft zum Opfer zu bringen." Wenn aber Baur so vou „einzelnen" spricht, die durch die That ihre Gesinnnug bewiesen hätten, im übrigen dagegen geneigt ist, ans der allgemeinen Gütergemeinschaft, von der der Text redet, nur eine allgemeine Bereitwilligkeit der Gesinnung zu inachen, so nimmt er wie dein Text so dein historischeu Verhältnis seine bestimmte Färbung. Freilich, eiue formal gesetzlich eingeführte Gütergemeinschaft hat es nicht gegeben und konnte es nicht geben. Wer hätte bei dieser ohne alle staatliche Berechtigung und Anerkennung sich bildenden Gemeinschaft den Zwang geltend machen können, den die Ausführung des Gesetzes erforderte? Also von einer gänzlichen und wirklichen Gütergemeinschaft in dem Sinne, daß der Einzelne hätte gezwungen werden können, seine Güter zu verkaufen und den Erlös für das allgemeine Beste zu verwenden, kann leine Rede sein. Dagegen ist das thatsächliche Bestehen einer Gütergemeinschaft innerhalb der Grenzen, die der Bestand der Gemeinde selbst zog, mit Sicherheit anzunehmen. Was Baur bestreitet, iudem er sagt, „daß das, was der Schriftsteller als eine allgemeine Einrichtnng der ersten Christengesellschaft angegeben hat, in dieser Allgemeinheit nicht wirklich stattgefunden habe," gerade das ist auzuuehmeu; es fand in dieser Allgemeinheit statt, allerdings, wie wir wiederholen, innerhalb der Grenzen, die der Bestand der Gemeinde selbst zog. Dahin gehört der Fall, daß unmöglich alle Häuser verkauft werden konnten, sodaß dauu keines in der Gemeinde eine eigne Wohnung besessen hätte. Die Angabe also, daß die Gläubigen alle ihre Güter und Häuser verkauft hätten, muß ihre Grenze da fiudeu, wo sie das Leben selbst zog, nnd fand sie auch.