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Alumneumserinnerungen :
(Schluß)
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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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altet nie" scheint mir ans die meisten Schulgeschichten nur in seinem Vorder­satze zu passen. Vvn diesen Alumneumserinnerungen aber möchte ich im Gegenteil, daß uur der Nachsatz gelte, und das ist der zweite Grund, weshalb ich sie aufgeschrieben habe: nach abermals drei bis vier Jahrzehnten wird ja niemand mehr eine Ahnung davon haben, wie es einst auf einem Alumneum zugegangen ist. Wir waren gerade noch zu einer Zeit da, wo in Verbindung mit dem alten Schnlhanse, dem altenKasten," wie wir sagten, und unter seinem konservirende» Schutze noch eine Menge von Einrichtungen bestand, in denen sicherlich, wenn auch in noch so abgeschlissener und abgeblaßter Gestalt, alte Klvsterschuleinrichtungen fortlebten, und die durch die Erbauung des neuen Hauses gewiß größtenteils hinweggefegt worden sind. Daß diese Ein­richtungen nicht ganz vergessen werden möchten, das war mein zweiter Wunsch, denn sie bilden in ihrer Art doch auch ein Stücklein deutscher Kulturgeschichte. Endlich aber habe ich auch au die heutigen Alumnen dabei gedacht, die es gewiß viel besser haben, als nur es unsrer Zeit gehabt haben, und die aus diesen Aufzeichnungen lernen mögen, was sie wahrscheinlich gar nicht wissen: wie gut fies haben!

Maßgebliches und Unmaßgebliches

Flaubert und George Sand während des deutsch-französischen Krieges. Es ist eine auffallende Erscheinung, daß der deutsch-französische Krieg mit seiner gewaltigen Begeisterung und seinen weltgeschichtlichen Folgen einen so verschwindend geringen Einfluß auf die Entwicklung der deutschen Litteratur aus­geübt hat. Man hatte nach solchen unerhörten Ereignissen eine Wiedergeburt des dentschen Geistes und der deutschen Knnst erwarten sollen, und man ist thatsächlich nach zwanzig Jahren auf diesen Gebieten nicht viel weiter gekommen, als man schon Vor dem Kriege war. Viele wollen sogar statt eines zielbewußten Fortschrittes ein unsicheres, ratloses llmh ertasten, einen unzweifelhaften Rückschritt erkennen und ver­fechten die Ansicht, daß heutzutage selbst siegreiche und ruhmvolle Kriege nicht mehr erhebend, sondern lähmend ans die Schaffenskraft des künstlerischen und litterarischen Lebens einwirken. Diese verderblichen Folgen hätten sich aber am schwersten in Frankreich äußern müssen, und daß dies der Fall ist, wird man kaum behaupten können. Wenn wir von den unzähligen Erzeugnissen der Nevanchelitteratur absehen, die jahrelang wie ein Schlammvulkan ihre giftigen Machwerke über das Land schüttete, so müssen wir doch eingestehen, daß die unerwarteten Schicksalsschlüge, die schweren Heimsuchnngen, die daraus entstehende pessimistische Stimmung und der Rückschlag von der Selbstvergötterung zur Selbstzerflcischung wie ein befrnchtender Gewitterregen auf viele Geister iu Frankreich eingewirkt hat.

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