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Die akademische Uunstansstellnng in Berlin
erfüllt, das; wir wieder Dürer und Holbein die nnsrigen werden nennen dürfen, vhne uns ihrer Nachkommen zu schämen.
Es ist dies der einzige Charakterzug der Ausstelluug, an den lvir einige Hoffnungen für die Zukunft knüpfen können. Wohin wir sonst blicken — überall Stillstand oder Rückgang. Gegen einen Stillstand zu eifern, der mit einer von Stufe zu Stufe erreichten, achtungswerten Hohe gleichbedeutend ist, wäre eine Thorheit, die uur solche Leute begehen können, denen die Kunst nur Achtung einflößt, weun sie mit dein hastigen Lauf unsers öffentlichen Lebens gleichen Schritt hält. Wer nach Fortschritten allein ausschaut, kommt nicht zum ruhigeu Geuuß, und dieser stellt sich in der Regel nicht vor werdenden oder gähreudeu, sondern vor ausgereisten künstlerischen Individualitäten ein. Unter diesem Gesichtspunkte betrachtet, bilden die Werke solcher Künstler, die sich tren geblieben sind, die sich seit einein, anch zwei Jahrzehnten mit geringen Schwankungen auf demselben Niveau bewegen, den besten und erfreulichsten Teil unsrer Ausstellung. Es ist auffallend, daß wir unter diesen Künstlern meist Landschafts- und Marinemalern begegnen. Sollen wir auch darin ein Zeichen des Erlöschens der künstlerischen Phantasie erblicken, die es bequemer und leichter sindet, sich an ein Naturvbjekt anzuklammern, als selbstschöpferisch thätig zu sein? Immerhin dürfen wir froh sein, daß Landschaftsmaler wie Leu, Gude, Metzener, Douzette, H. Eschke, A. Hertel, C. Ludwig, E. Körner — Nur ueuneu uur die auf unsrer Ausstellung vertretenen — noch in voller, alter Kraft schaffen, nnd nicht minder froh, daß die Mehrzahl der jnngern besonnen genug ist, den Bahnen der Alten zu folge» und nicht auf die Lockpfeife der Naturalisten zu hören.
Ein merklicher Rückgang ist dagegen in der Genremalerei zu spüren. Wenn dieser Rückgang des alten Stils zugleich von der Erstarkung eines neuen begleitet wäre, würde man darin nnr das Walten eines unabänderlichen Naturgesetzes erblicken und je nach dein Standpunkte, den mau einnimmt, vielleicht mich preisen. Aber wo bleibt der neue Stil? Wo sind Keime zu erkennen, von denen Blüten und Früchte zn erwarten sind? Gläubig und hoffnungsfrendig haben die einen, geduldig wenigstens und nachsichtig die andern jahrelang den Verheißungen der Naturalisten und Freilichtmaler ihr Ohr geliehen. Man hat ihnen in München und Berlin, namentlich an ersterm Orte, alle Thüren geöffnet. Man hat sie durch Medailleu ermuntert; aber ihre hochtönenden Reden haben sich als eitel Prahlereien erwiesen. Es sind Feldherren ohne Armeen gewesen oder richtiger Bramarbasse, gegen die sich der ästhetisch gebildete Teil des Publikums, den sie gern den „Bildungsjanhagel" nennen, ebenso mißtrauisch und ablehnend verhalten hat, wie die große Masse des Volkes, die jene Prahlhänse durch ihre Kunst zu gewinnen sich vermaßen, indem sie den Proletarier in seinem Elend, den Arbeiter bei seinem stumpfmachenden „Sklavendienst" aufsuchten. Welche Enttäuschung