Die Aufgabe der Gegenwart
er Verfasser eines Aufsatzes in Nr. 17 dieser Zeitschrift fuhrt den Gedanken aus, neue Gesetze seien nicht nötig, die vorhandenen Bestimmungen genügten, würden aber nicht ansgcführt. Es seien Revisionen nötig durch Beamte der Zentralstelle, die der Willkür der Lvkalbehörden einen Niegel vorschöben. Man müsse ans bessere Armenpflege, strengere Übung des Schnlzwanges, lebhaftere Mitwirkung der Kirche dringen.
Wie der Verfasser durch einen in Nummer lO enthaltenen Aufsatz über hessische Zustände Anregung empfangen hat, so giebt er selbst wieder zu einer Reihe vvu Betrachtungen über die von ihm berührten Gegenstände ?l»laß. Ich meinerseits möchte diesmal die Frage herausgreifen: Wie kommt es, daß wir Gesetze machen, nnd sie nicht in der Weise ausgeführt werden, wie sie beabsichtigt waren? Diese Frage scheint mir überaus wichtig zu sein. Denn offenbar liegt hier nicht ein Zufall oder eine gewisse Trägheit vor, die dnrch Wien einfachen Anstoß überwunden werden könnte, vielmehr sind Gründe vorhanden, die in den Gesetzen selbst, in den Neben lim ständen, unter denen sie ausführt werden, auch in dein Charakter der ausführenden Personen enthalten sind, ^ch werde ein wenig Kritik üben müsse», will aber dabei ausdrücklich bemerke», daß es mir fer» liegt, einzelne Personen oder Parteien auzuklagen. Es kaun ^ein thörichteres Unternehmen geben, als wenn ein Volk, dem etwas mißraten ist, nach Sündenböcken sucht, um sich selbst weiß zn brennen nnd alles beim "lten zu lasseu. Es handelt sich darum, was nicht gut war, besser zu machen, Und daß dabei jeder bei sich selbst ansauge. Nud auch du, lieber Staat, übersieh dich selber uicht.
Grenzboten tl 1890 49