Aus der Stadt des Reichskammergerichts
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Als diese und andre Dinge in einer Ratssitzung zur Sprache kamen, sagten die Mitglieder einander wieder verschiedne Liebenswürdigkeiten, diesmal von Angesicht zu Angesicht; uuter auderm beklagte sich einer der Nichter über Schelmstücke und Komplotte und behauptete, es gehe beim Kammergericht ärger zu als bei einem Bauerngericht; eiu andrer erhob den Vvrwurf der Bestechung, des Kaufes von Zeugen, und man scheute sich nicht, Drohungen gegen einander auszustvßen, wie die, das; man dem Gegner den Degen durch den Leib reuneu werde. Einzelne Assessoren wagten sich nur uoch mit geladenem Gewehr auf die Straße.
Endlich schritt der Kaiser ein. Aber man beeilte sich damals nicht, sondern forderte zunächst Anklage und Verteidigungsschriften. Da gab es wieder wunderbare Titel. Ein Beisitzer hatte seine beiden Schriften benannt: „Die nach dein Nichter seufzende Unschuld" uud „Die vor dein Richter lachende Unschnld." Der schou genannte Beisitzer von Pyrk aber, der der Hauptbeschuldigte war, reichte eine Abhandlung ein mit dem Titel: .7oeu8 arguingniis serüs a mor080ruin, tot,rie,ui'MA, inliunnrnvrmn, nasutuIoruM, ru8iic:orrim es.- luinniis vinälv^ws, worin er die Strafbarkeit des erwähnten Pamphlets zu bestreiken suchte.
Nach Verlauf von zwei Jahren erging das Urteil. Pyrk wurde darin seiner Beisitzerstelle entsetzt, und es wurde ausgesprochen, daß die von ihm verfaßten Schmähschriften durch den Kammergerichtspedell vor seinen Angen zerrissen und die Stücke ihm vor die Füße geworfen werden sollen.
Dieselbe Kommission, die die eben geschilderten Vorfälle abgeurteilt hatte, befaßte sich noch mit andern Beschuldigungen, die sich leider gegen die Un- eigennützigkeit uud Unbestechlichkeit der Nichter wandten. Einer der Assessoren hatte sich von einer Partei drei Fässer Wein schenken lassen und verteidigte sich ans die gegen ihn erhobene Anklage damit, daß er ein so geringes Geschenks!) Wohl annehmen dürfe. Die Kommission sprach ihn daraufhin thatsächlich frei, erklärte aber ausdrücklich für künftige Fälle, daß sich die Richter auch kleine Geschenke nicht dürften machen lassen. Wie weit damals die Begriffsverwirrung zwischen „erlaubt" und „unerlaubt" ging, zeigt der Umstand, daß sogar ein Mitglied der Kommission behauptete und durch Gesetzesstellcn zu belegen versuchte, der Nichter dürse sich bis zu hundert Dnknten von der Partei schenken lassen.
(Schluß folgt)
Grenzvoten II l«90
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