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Wilhelm von Brandenburg; sein wohlgeübtes, kampfesmutiges Heer stand am untern Rhein, begierig, sich mit den Franzosen zn messen. An Zahl war es freilich den Gegnern lange nicht gewachsen. Darnm galt es sür einen großen Erfolg der brandenburgischen Staatsknnst, als sich der Kaiser bestimmen ließ, zum Schutze der deutschen Neichsgrenze seine Truppen mit deiieu des Kurfürsten zu vereinigen. Aber die scheinbare Verstärkung erwies sich thatsächlich als eine Schwächung. Leopold hatte seine Gründe, einen unheilbaren Bruch mit Frankreich zn vermeiden. Sein Feldherr Moutecuccoli erhielt die Weisung, sich auf keinen Kampf einzulassen, und der Kurfürst mochte mit dem Prinzen von Oranien, dem Kriegsherrn der Niederlande, verabreden, was er wollte, er konnte nicht von der Stelle.
Eil, noch treffenderes Beispiel gewährt das Verhalten des schwedischen Kronprinzen Karl Johann, des ehemaligeil französischen Marschalls Bernadotte, im Befreiungskriege des Jahres 1813. Die Schweden hatten ihn zu ihrem Thronfolger,' zum künftigen Erben ihres kinderlosen Königs Karl gewählt, und m dieser Eigenschaft machte er den Kampf gegen Napoleon mit. Aber seinem Ehrgeiz und seiner Einbildungskraft war die schwedische Königskrone zu gering; seit Napoleons Stern im Erbleichen war, trug er sich mit der Hoffnung, an dessen Statt Kaiser der Franzosen zu werdeil. Kein Wunder, daß er sich bemühte, nicht nnr seine jetzigen Laildsleute, die Schweden, die er gegen Napoleon führte, sondern c»lch° seine frühern Mitbürger und, wie er hoffte, künftigen Unterthanen, die Franzosen, die er bekämpfte, so sehr als möglich zu schonen. Für seine Verbüudeten war diese Zwitterstellung umso verhängnisvoller, als sie ihm die Führung der Nordarinee übertragen und bedeutende preußische und russische Heeresteile unter seineil Oberbefehl gestellt hatten. Die preußischen Führer, besonders Bülow, mußten nm jeden Schritt vorwärts mit ihm kämpfen. Gleich anfangs wollte er ohne jeden zwingenden Grund Verlm Preisgeben. Was ist Berlin? — hörte man ihn sagen —, eine Stadt. Und doch mußte er wissen, daß diese Stadt der Mittelpunkt der norddeutschen Freiheitsbewegung war, daß ihr Verlust an die rachedurstigen Franzosen für die öffentliche Meinung so viel bedeutet hätte wie eine Niederlage im offnen Felde. Nur Bttlows entschiedner Widerspruch wandte dieses Unglück ab; nur Bülows eigenmächtige Entschlossenheit führte die Schlacht bei Grvßbeeren herbei, zu der der Oberfeldherr erst nachträglich seine mißmutige Ziistiinmung gab. Dle Schlacht wurde glänzend gewonnen; es war der erste größere Sieg der Verbündeten und deshalb von unberechenbarer Wirkung ans die öffentliche Meinung beider Teile, umsomehr, da Napoleon, des Erfolges gewiß, die Nachricht von dem Einznge der Franzosen in Berlin, der nun glücklich vereitelt war, durch seine amtliche Zeitung im voraus der Welt hatte verkündigen lassen.
Wäre Bülow selbständig gewesen, so hätte er den Sieg aufs kräftigste ausgenutzt, bis zur Vernichtung des Feindes. Aber dazn war Bernadotte be,