Gin Blick auf das vergangne Jahr
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eraume Zeit sind wir im deutschen Reiche nicht in der Lage gewesen, einein scheidenden Jahre mit solcher fast ungeteilten Zufriedenheit nachzublicken, wie jetzt denn Jahre 1889. Wir haben es doppelt glücklich zu preisen, wenn wir ihm den unmittelbar vornusgegangneu Zeitabschnitt an die Seite stellen,
in dein uns rasch nach einander zwei Kaiser entrissen wurden, und in dem uns, wenigstens in seiner ersten Hälfte, nicht bloß von außen, vom östlichen wie vom westlichen Teile unsers Gesichtskreises, schwere Gefahr drohte, sondern sich auch im Innern ein Umschwung der Dinge vollziehen zu wollen schien, der, so lurze Dauer er auch voraussichtlich nur haben konnte, doch ernste Bedenken erwecken mnßte, da er die Möglichkeit eines Systemwechsels in der innern wie in der äußern Politik nahe rückte, bei dem in wenigen Tagen vieles beeinträchtigt und geschädigt werden, ja ganz verloren gehen kvnnte, was sich im Laufe der Zeit von der Gründung des Reiches an immer und ohne Unterbrechung als heilsam für die Nation erwiesen hatte. Das Jahr 1888 war in seinen ersten Monaten ein Jahr der Trauer, der Beklemmung, der ängstlichen Fragen. Dann hellte es sich auf, und die Sonne der Hofsnnng stieg langsam wieder empor. Das Jahr 1889 wurde beinahe nach allen Richtungen hin ein Jahr der Bestätigung, der Befestigung, der frohen Zuversicht, und nur haben uns nur zu hüten, daß wir uns nicht zn großer Sicherheit überlassen und in die Überhebung verfallen, die den „Neid der,,Götter" weckt. Der Staatsmann, dem wir unser Glück nächst Gott am meisten zn danken haben, kann uns dabei als Beispiel dienen; er, der vor allen dnrch seine Erfolge zu solcher Überhebnng hätte gebracht werden können, kennt Gefühle der Art gar nicht, leidet also auch nicht an ihren Folgen und erfreut sich
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