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Zum bürgerlichen Gesetzbuch
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ZINN l'M'gerlichen Gesetzbuch

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wollen mitarbeiten an dein Werke, und nnr, um es zu fördern, nicht nm ihm Schwierigkeiten zu bereiten, zeigen sie die von ihnen wahrgenoiumenen Mängel, damit diese jetzt, wo es noch Zeit ist, beseitigt werden. Daß über solcher Arbeit das kritische Auge geschärft und manchmal so geschärft wird, daß es etwas zn viel findet, ist natürlich, und die Verfasser werden es nicht übel nehmen, wenn man bei ihnen stellenweise eine derartige Schärfnng der Augen wahr­nehmen zu müssen glaubt. Aber im großen und ganzen wird man ihren Alisstelluugcu nnr beipflichten können.

Goldschmidt beleuchtet die formalen Mängel des Entwurfs, und zwar im Anschluß an einen frühern Aufsatz Gierkes vor allem die Sprache. Beide finden, die Sprache des Entwnrfs seinicht die Sprache, die einein deutschen Gesetzbuche ziemt. Sie ist ein abstraktes Juristendeutsch, mehr Übersetzung als Urbild, uuvvlkstümlich und für den Laien oft vollkommen unverständlich; sie eutbehrt der Kraft und Tiefe, der sinnlichen Anschaulichkeit und der über­zeugenden Beredsamkeit; sie artet vielfach ins Doktrinäre, Pedantische, Ver- künstelte und dann wieder ius Triviale, Seichte, Schleppende aus. Der Entwurf ist von vornherein nur für Juristen geschrieben. Vielleicht war mau der Ansicht, daß in den letzten Jahrzehnten die Rechtswissenschaft einen allzn sublimen Gipfel erklommen habe, als daß es noch ausführbar sein könnte, zu­gleich der Wissenschaft Genüge zu thun und volkstümlich zu reden. Vielleicht aber meinte man auch, daß die gauze Vorstellung von einem volkstümlichen Rechte gleich andern veralteten Schwärmereien in die Rumpelkammer gehöre, da schließlich bei dem Hineinreden der Laien in juristische Dinge nichts als Dilettantismus herauskommet Nun verlangt Goldschmidt selbstverständlich nicht, daß das bürgerliche Gesetzbuch, wenn ich mich so ausdrücken darf, den Jnristeu überflüssig mache, im Gegenteil.Des vollen Gehaltes der Nechtssätze bis in seine kleinsten Veräderungen und Verästelungen kann nnr der Jurist sich be­mächtigen, braucht aber auch nur dieser. Der Allgemeinheit genügt die Mög­lichkeit der eignen Kenntnisnahme der Grundlagen, ans denen sich ihr Rechts­leben aufbaut." Diese Kenntuisnahme muß aber jedermann geboten werden. Die Völker, die sich die Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens, d. h. die gesetzliche Anerkennung des Anspruchs, mit eignen Augen zu sehen, wie über ihre wichtigsten Jnteresfen judizirt wird, zu erringen verstanden, werden sich auch nicht ver­kümmern lassen ihren Anspruch auf die Öffentlichkeit ihres materiellen Rechts, d. h. eine solche Fassung desselben, daß sie sich seines unmittelbaren Gehaltes, seines grundlegenden Inhalts dnrch eigne Geistesthätigkeit zu bemächtigen ver­mögen." Gerade um recht deutlich zu sein, um ja keinen Zweifel über den Inhalt seiner Bestimmungen aufkommen zu lasseu, enthält der Entwurf oft die verwinkeltsten nnd infolgedessen ganz unklare Sätze. Er bietet auch oft für demselben Begriff verschiedne Bezeichnungen, was wieder das Verständnis beeinträchtigt. Solche sprachliche Mängel sind aber umso betrübender, als wir Grenzboten III 1889 74