Zum bürgerlichen Gesetzbuch
von Gtto Gerland
MW
ie sehr der Entwurf zu einem bürgerlichen Gesetzbuch für das deutsche Reich die Juristeuwelt beschäftigt, zeigt die Zahl der bereits über diesen Gegenstand erschieneneu Schriften und die Tagesordnung für deu demnächst in Straßburg zusammentretenden deutscheu Juristeutag, der sich nur mit dein bürgerlichen Gesetzbuch beschäftigt. Aber auch der Nichtjurist hat eiu wesentliches Interesse an der Frage, ob und wie das bürgerliche Gesetzbuch zustande kommt, da die Einigung Deutschlands auch ans dem Gebiete des Zivilrechts von ganz hervorragender politischer Bedeutung ist, und es niemand gleichgiltig sein kann, nach welchen, Nechtsgruudsätzen er leben und wie er sich über das geltende Recht Rats erholen soll. Es mögen daher zwei kürzlich erschieueue wertvolle Schriften über den genannten Entwurf hier einer kurzen Besprechung unterzogen werden, die deshalb eiue größere Bedeutung haben, weil der Verfasser der erster», Ludwig Goldschmidt, den Stoss auch zum Gegenstande seiner an der Universität Göttingen zu haltenden Vorlesungen gemacht hat, die letztere aber erwünschtes Zeugnis dafür ablegt, daß auch uusre deutsche» Brüder in Osterreich lebhaft an dein Znstandekommen unsers bürgerlichen Gesetzbuches teilnehmen und uns ihre Kraft zur Mitarbeit widmen, wie denn auch der Verfasser dieser Schrift, Otto Gierke, schon anderweit, in Schmollers Jahrbuch, wertvolle Arbeiten über unsern Entwurf veröffentlicht hat,^)
Beide Verfasser erkennen die hohe Bedeutung des Entwurfs an, wünschen warm die Vollendung der begonnenen schweren, auf Jahrhunderte hinaus folgenreichen Arbeit, ja Goldschmidt würde es geradezu für ein „nationales Unglück" halten, „nicht nur, wenn der Versuch einer einheitlichen deutschen Privntrechts- ordnung scheiterte, sondern auch, wenn der Entwurf jahrzehntelang zwischen Leben und Sterben schwankte," aber beide urteilen ungünstig über den Entwurf. Beide
") Kritische Erörterungen zum Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches für das deutsche Reich von Dr. Ludwig Goldschmidt, Privatdozent und Gerichtsassessor zu Göttingeu. Erstes Heft: Die formalen Mangel des Entwurfs. Leipzig, Dmicker K Humblot, 1889.
Die soziale Aufgabe des Privatrechts. Bortrag, gehalten am 8. April 1889 in der juristischen Gesellschaft zu Wien von Dr. Otto Gierke. Berlin, Inlius Springer, .1889.