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Maßgebliches nnd Unmaßgebliches
Was die Frauen zu forderii berechtigt sind, ist zunächst Gleichstellung der Löhne für Frauenarbeit mit der Mnnnerarbeit. Dieser Übergang aber, der von größter Bedeutung für unsre Verhältnisse ist, wird nur ermöglicht werden, wenn der Staat die Frauen schützt; durch keinen Streik, keine Versammlung, keine Lamentationen wird dieses Ziel erreicht werden. Der Staat verschafft den Gefangnen Arbeit, er macht sich in diesem Falle die Mühe, mit den Arbeitgebern zu akkordiren, Rohmaterial einzulaufen, auszugeben, Löhne einzukassiren; wie viel mehr nmß er eintreten für die freie Arbeit einer Klasse nahezu wehrloser Menschen, die so hart von der allmählichen Umgestaltung unsrer wirtschaftlichen Verhältnisse betroffen sind nnd die. fo wesentlichen Anteil an der guten, oder schlechten Fortentwicklung alles Bestehenden haben! Wir wollen hier nur die traurigen sittlichen und gesellschaftlichen Zustände streifen, die Folgen der anerkannt zu niedrigeil Lohnsätze, die selbst bei bescheidensten Ansprüchen kein Auskommen gewähren ; neben dem Laster sehen wir die Magdaleneustifte, die die Privatthätigkeit mit großen Opfern erbaut, eine lebendige Illustration, der Jnkonseqnenz nnd Haltlosigkeit der gegenwärtigen. Zustäude; jede Frau mit Sclbstbewußtsei». und weiblichem Gefühl wird trachten, ans der Niedrigkeit nnd Verkommenheit des Bestehenden dein reinen, edeln Geist alt- germanischen Ehe- nnd Familienlebens wieder zur Erhebimg zu verhelfen.
Die Errichtimg von arbeitgebenden Stationen würde die Lohnsätze der Frauen sofort regeln, sie frei macheu von jedem Druck, jeder Willkür gcwisseuloser Arbeitgeber. Vieles, was der Staat selbst gebraucht für das Heer, seine Anstalten u. s. in., würde unmittelbar vom Arbeitgeber den Fronen in Arbeit gegeben werden, ohne daß der größte Teil des Gewinnes, wie bis jetzt, die. Lieferanten bereichert; schlecht zahlende Arbeitgeber würden, dn sich keine Arbeiterin an sie wenden, würde, gezwungen, sein, ihre Aufträge durch die arbeitgebenden Stationen, ausführen zn lassen, gilt zahlende würden vor die Wahl gestellt sein, ob sie uuinittelbar Anfträge oder durch die Vermittlung arbeitgebender Stationen geben wollten, jedenfalls wäre der Lohnsatz bestimmt geregelt, uud keine Willkür könnte ihn umgestalten. Man hat, um der Willkür zn begegnen und bessere. Lohnsätze für die Frauen zn erziele», in verschiedneu Städte». Verkaufsstellen für weibliche Handarbeiten errichtet; aber diese können, so gilt sie gemeint sind, nur von sehr geringem oder von. gar keinem Nntzen sein. Zunächst ist der Übelstand, daß die Frau das Material zu der zu liefernden Arbeit selbst zn beschaffen, bare Auslagen zu machen hat, dann liegt ihre. Arbeit wochenlang bis znm Verkaufe, oft genug erhält sie sie als nnverkanfbar zurück. Ferner danken diese Verkaufsstellen ihr Entstehen der Privatlvvhlthätigkeit, die rechtschaffne, freie. Arbeit einer tüchtigeil Frau will aber keine Wohlthat, kein Mitleid, sie will ihren angemessenen Lohn; nn der Spitze dieser Unternehmungen stehen gewöhnlich „gut fitnirte Damen," oft geling unverheiratete, die viel freie Zeit haben, die aber niemals mit dem Kampf ums Dasein bekannt geworden sind, denen es an praktischen. Erfahrungen völlig fehlt; dagegen neigen sie dazu, innerhalb ihrer Schöpfungen zu individualisiren, Neigung und Abneigung zu schaffen; mau hört nicht selten, von Frauen, „die es nicht verdienen," man läßt diese die Abhängigkeit gena». so drückend fühlen, als es ein harter Arbeitgeber thut; man begünstigt, nnd läßt fallen, je nachdem man sich „sympathisch" oder „cmtipcithisch" berührt fühlt, uud vergißt, wie unstatthaft eine solche. Beurteilung ist, wie jede, schlecht oder gut, ihren Lebensuuterhalt zu erwerbe« berechtigt ist. Ob schlecht, ob gut, der Mensch will leben; setzt man Zweifel in seiue Moral, so ist nichts geeigneter, ihn auf bessere Bahnen zu leiten, als lohnende Arbeit und deren Folge, geordnete Verhältnisse. Die arbeitgebenden Stationen, wie wir sie im Auge habeil, haben sich mit nichts