Beitrag 
Ludwig Pfaus Gedichte
Seite
509
Einzelbild herunterladen
 

Ludwig Pfaus Gedichte

509

walten lassen. Diese Erkenntnis ist aber wertvoll. Das Lob sagt aber auch, daß der Künstler sich über den Umfang und die Grenzen seiner Begabung im Klaren gewesen ist uud sein Streben in strenger Selbsterziehung darauf ge­richtet hat, seine Ziele in Einklang mit seiner Fähigkeit zu setzen, nicht aber das Bild einer zu hoch strebenden Unfähigkeit zu bieten. Dieser klare Sinn für Einheit in der Aufgabe und in der Durchführung ist wieder wertvoll. Er verrät uns auch den harmonischen Gesmutcharnkter des Künstlers, dessen ganze Persönlichkeit darum eiue sympathische Erscheinnng wird. Es besteht kein Bruch zwischen dem, was sie künstlerisch schafft und dem, was sie in Wirklich­keit ist. Vollends in der Lyrik ist eine solche harmonische Persönlichkeit von ganz besvuderin Werte. Ihre Gedichte werden in der That znm Ausdruck einer einheitlichen geistigen Natur, zum Spiegelbild eines Charakters, es verletzt uns keine Unwahrheit, keine Zerrissenheit, kein ohnmächtiges Streben, der Dichter weiß, was er will, er findet das Maß in sich selber, er giebt sich frisch, unbefangen, vielleicht sogar etwas rücksichtslos;so bin ich," scheint er zu sagen,nehmt mich, wie ich eben bin!" Nur starke Naturen habeil den Mut zu dieser ruhigen Offenheit, und alle Stärke gefällt, um so mehr, wenn sie dnrch Schönheit geadelt ist, mögen im einzelnen auch der Geschmack des Lesers und des Dichters aus einander gehen.

Hiermit glauben wir das Wesen der lyrischen Gedichte von Ludwig Pfau, die jetzt in einem stattlichen Bande von vierhuudertnndfnnfzig Seiten, wohl abschließend gesammelt (vierte, durchgesehene und vermehrte Auflage, Stutt­gart, Bvnz, 1889), vorliegen, zutreffend bezeichnet zu haben. Ans einander zu halten, wie viel Pfau an dichterischer Originalbegabnng mitgebracht und wie viel seine große künstlerische Bildung zu dem Charakter seiner Lyrik bei­getragen hat, wie er nns jetzt in seiner Vollendung erscheint, dürfte nur schwer möglich sein. Und doch ist es mehr als ein nebelhaftes Gefühlsnrteil, wenn wir es aussprechen, daß die künstlerische Bildung, das uämlich, was Pfau gelernt hat, mehr ausmacht, als was er ursprüuglich mitgebracht hat. Seine Begabimg scheint von Hause aus stärker nach der sprachlichen Richtung der Knust, als in der schöpferischen Kraft der Phantasie gewesen zu sein. Vergleicht man den Reichtum an metrischen Fvrmen, den seine Gedichte aufweisen, die große Sorgfalt, die auf ihre Sprachschönheit verwendet ist (einzelne anfecht­bare Kühnheiten wollen wir später erwähnen), die überall durchblickende genaue Kenntnis des Volksliedes und der großen Lyriker, mit dem verhältnismäßigen Mangel an ganz neuen Bilderu oder mit dem Unvermögen, trotz alles klar erkennbaren Strebens nach Sinnlichkeit uud Bildlichkeit, gnuz im beseelten Bilde aufzugehen, hin nnd wieder rein symbolisch zn dichten, das Leblose zu beseelen, ohne es mit dem erklärendenwie" an den Gedankeil zn binden, oder liest man die Balladen, die im Ganzen hübsch sind, und doch weitaus weniger Handlung als Betrachtung mit mehr oder weniger Gemüt oder Witz bringen,