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Die deutsche Arbeitergesetzgebung : 6. Die Arbeitsgemeinschaften nach außen
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Die deutsche Arboitcrgesetzgebnng

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aber, die in ganz besonders deutlicher Weise die Stellnng der Arbeitsgemein­schaft nach außen hin beleuchtet, ist folgende.

Schon in den vierziger Jahren, als die Industrie Preußens sich zn ent­wickeln begann, erhoben sich zahlreiche Klagen, daß viele Arbeiter dadurch zu Grunde gerichtet würdeu, daß die Gläubiger ihnen den Lohn pfändeten, ehe er noch ausgezahlt worden sei, ja ehe noch die Arbeit gethan sei, für die der gepfändete Lohn das Entgelt darstelle; der Arbeitgeber sei in solchen Fällen gezwungen, den Arbeiter zu entlasse», denn es fehle nun die wichtigste Gewähr für die Tüchtigkeit der Arbeit, nämlich die Aussicht des Arbeiters ans den Lohn. Wenn der so entlassene Arbeiter aber in eine andre Stelle eintrete, so gehe dort das Spiel von neuein an mit den Lohnpfändungen, und so sei dem einmal verschuldeten Arbeiter, auch wenn die Schuldfvrderuug gar nicht so bedeutend sei, das Verderben sicher. Auf Grund dieser Sachlage erhob sich nun ein allgemeiner Widerspruch gegen die Pfändung nochunverdienten" Lohnes; es sei das nichts andres als Sklaverei, denn die noch nicht gethane Arbeit und somit auch der noch nicht verdiente Lohn bilde gleichsam noch einen Bestandteil der Person des Arbeiters selbst, sei noch ein Stück von seinem Leibe, schlummere noch ungeschaffen in ihm; eine Pfändung sei hier dasselbe wie Knechtschaft der Person. Diese Ansichten beeinflußten auch gar bald die Rechtsprechung über die Zulässigkeit solcher Pfändungen, da die damals bestehenden, aus älterer Zeit herrührenden Gesetze keine sichere Entscheidung darboten für diese erst in neuerer Zeit entstandnen wirtschaftlichen Zustände. Die Rechtsprechung war aber selbstverständlich nicht überall die gleiche und wurde dies auch später nicht, weil diese Pfändungen wegen der ihnen zu Grunde liegenden meist geringen Geldforderungen nicht bis zu der abschließenden und einheitlich gestaltenden Entscheidung des obersten Gerichtshofes kommen konnten. Ein Teil der Gerichte erklärte die Pfändung des Lohnes auf un­beschränkte künftige Zeit für zulässig, wenn nur zur Zeit überhaupt ein Dienstverhältnis bestand. Ein andrer Teil der Gerichte gestattete nur die Pfändung des verdienten Lohnes, schlitzte aber auch damit die Arbeitsgemein­schaft nicht genügend. Denn verdient war der Lohn für einen Tag beispiels­weise schon im Beginn der Woche, am Montag; war aber der Znhlungstag Sonnabend, und der Gläubiger pfändete den Lohn für die ersten Wochentage schon vorher, so war der Arbeitsherr nicht weniger als früher in die Not­wendigkeit versetzt, einen Arbeiter zu entlassen, dessen Verhältnisse einmal so in Unordnung geraten waren nud bei dem fortwährend die wegen der zwie­spältigen Rechtsprechung ganz unlösbare Rechtsfrage zu prüfen war, ob denn nnn der Lohn mit Nechtswirkung cm den Gläubiger oder an den Arbeiter zu zahlen fei, wobei fortwährend die Gefahr bestand, daß der Nrbeitsherr bei unrichtiger Beurteilung des Rechtsverhältnisfes den Betrag des Lohnes noch einmal hätte zahlen müssen. Obgleich aber diese Thatsachen uns Nachlebenden