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Tagebuchblätter eines Sonntagsphilosophen : 14. Aus der Geschichte unsrer Sitte, zugleich zur Fortschrittsfrage
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Tagebuchblätter eines Sonntagsphilosophen

er sein Leben, mit der man höchster Huldigung spaßhaften Ausdruck giebt: Ich werfe mich Ihnen zu Füßen." Das wachsende Würdegefühl, auch bei Armen und Unglücklichen, scheidet ihn aus aus den Sitten. Er hat aber eine merkwürdige Geschichte hinter sich, die recht eigentlich hier in den Zusammen­hang gehört und in die tiefste Urzeit führt. Ich muß aber kurz sein.

In Kleinasien, in Behistan, wurde vor nicht lauger Zeit ein Felsenbild gefunden, das einen Sieger und den Überwnndnen darstellt, und zwar Darius und den falschen Smerdes. Das Bild aber zeigt, überaus merkwürdig, den Besiegten auf dem Nückeu liegend, den Sieger aber über ihm stehend, das eine Bein auf seinen Bauch gesetzt. Diese Gebärde kauu wvhl nur bedeuten: gieb dich überwunden, oder ich zertrete dir das Leben. Denn der Sieg bestand schon in alter Zeit wie jetzt noch bei wilden Böllern weniger im Siege selber, als darin, daß der andre sich als besiegt bekannte und unterwarf.

Daß Darius damals den Smerdes so unterworfen vor sich gehabt habe, daran ist gewiß nicht zu denken. Es wird schon damals ein alt überliefertes Bild gewesen sein, um einen Sieg darzustellen, obwohl es zuletzt auch ans Wirklichkeit zurückgehen wird, die sich vier weiß wo bei wilden Völkern nls kriegsrechtliche Sitte wvhl noch wiederfinden wird. Führen wir selber doch eben das, was das Bild dort in Behistan darstellt, arglos in der Redensart fort, daß der Besiegte dem Sieger sichunterwerfen" mußte, und sagen das auch von Staaten und Völkern, obwohl die deutliche Vorstellung nur zwei Gestalten zuläßt, wie dort auf dem Felsenbilde. Auch lat. 8ulysow8, Unterthau, bedeutet eigentlich unterworfen, geht also in seinem Ursprünge auf dieselbe alte Kriegssitte zurück.

Ganz altertümlich und an jenem Bilde leichter zu begreifen ist auch die noch ganz geläufige Redensart, daß der Sieger dem Besiegtenden Fuß auf den Nacken setzte," d. h. ihn dieNiederlage" recht empfindlich fühlen ließ. Es ist dasselbe, aber mit einer wcitgreifenden Änderung zum Fortschritt: der Fuß uicht mehr auf die Eingeweide gesetzt, sondern auf den Nacken, wo dann von eiueiu Zertreten nicht mehr die Rede ist, sondern nur von einem ent­waffnenden Niedertreten. Man kennt diese Form derUnterwerfung" am be­quemsten aus Campes Robinson, wo Freitag, welchen Robinson vom Kannibalen­tode gerettet hat, vor seiucm Netter sich hinwirft, einen seiner Füße ergreift "nd sich selber auf den Nacken setzt, d. h.: du bist fortan mein Herr und ich dein eigen in treuen: Dienste.

Hier begreift sich nun auch als weitere Stufe das Gebcchren der Untern gegen den Herrn, das die Griechen bei den Persern sahe», das 7rp°^uvs?v, und das man noch in Asien sieht, auch in Rußland: der Untere wirft sich vor dem Herrn auf die Erde und küßt ihm den Fuß oder statt dessen den Saum des Gewnudes. Die asiatische Sitte hatte auch in Rom Fuß gefaßt, sie schmeichelte dem Größenwahn der spätern Cäfareu, Diocletian führte ein,