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Maßgebliches und Unmaßgebliches
in sehr vielen Fallen für Unbemittelte geradezu ein Sporn sind, alle möglichen Schändlichkeiten zu verüben. Eine Strafe, die eine wirkliche Strafe in den Äugen der Mitmenschen Ware, ist somit die niedrige Freiheitsstrafe in vielen Fällen nicht, wohl aber die Prügelstrafe.
Noch ein andres Beispiel mag angesnhrt sein. Ein Fnhrmann misthandelt sein Pferd, das nicht imstande ist, den schwerbeladenen Wagen zu ziehen, in einer derartigen Weise, daß das erschöpfte und geängstete Tier znsammenbrichl. Ich brauche meine obige» Anseinandersetznngen nichl zn wiederholen, ich überlasse eS dem Leser, sich nach seinen Gefühlen ein Urleil darüber zu bilde», ob die Freiheitsstrafe hier im entfernteste» den gleichen Nutze» nnd Erfolg haben würde wie die Prügelstrafe. Die höchste Freiheitsstrafe, die nach unserm Strafrecht den Thäter in diese», Falle treffe» km«,, beträgt sechs Wochen Haft.
Man wird nnn fragen: Wo ist die gesetzlich bestimmte Grenze, wo sängt die Rohheit an, wo hört sie ans? Eine solche feste Grenze ist aber durchaus nicht erforderlich. Dem Richter kann die Entscheidung darüber im einzelnen Falle recht gut anheimgegeben werden, das Gesetz kann ihm i» der Weise Spielraum lassen, daß, wie er jetzt etwa zwischen Freiheits- nnd Geldstrafe zn wählen Hot, er zwischen drei Strafen die Wahl hat, Geld-, Freiheits- nnd Prügelstrafe.
Zum Schluß will ich »och meine Vorschläge auch deu prinzipiellen Gegnern der Prügelstrafe gegenüber, die sie vom sittlichen, gesnndheitliche» ». s. w. Standpunkt aus bekämpfen, zu rechtfertigen versuchen.
Man hat znnächst ans die ungleiche Wirkung der Prügelstrafe auf die ver- schiednen Menschen ansmerlsam gemacht. Sie soll sittlich vernichtend ans den Ehr- liebenden wirken, während dies bei dem Ehrlosen nicht der Fall sei. Ich glanbe, dies kann für u»s nicht in Betracht komme». Einem Mensche», der solcher Rohheiten u»d Gemeinheiten fähig ist, wie sie eben geschildert wnrden, spreche ich jedes Ehrgefühl ab. Neben der Ungleichheit der sittliche» Wirkung macht man die der physischen gellend. Ma» behanptet, die Prügelstrafe reibe de» Schwächliche» auf, lasse dagegen den Starken nnversehrt. Darauf ist zu erwidern, daß die Prügelstrafe nicht die einzige Strafe ist, der dieser Mangel anHaftel. Die Freiheitsstrafe wirkt ebenfalls bei kranken Menschen stärker als bei gesunde» „nd kräftigen! nnd vor allen Dingen ist daran zu erinnern, daß ei» und dieselbe Geldstrafe den Unbemittelten geradezu vernichten kann, während sie den Wohlhabenden nicht im entfernteste» empfindlich trifft.
Man sagt auch: sie Vollziehung der Prügelstrafe könne wohl Mitleid mit dem Sträfling, Univillen gegen die Behörde, aber leine Genngthnnng hervorrufen. Änch dieser Einwand erledigt sich im Hinblick ans die obige» Fälle von selbst. Ich habe hingewiesen auf die Entrüstung und Empörung des Publikums im Falle einer rohen Thal; ich zweifle sehr daran, ob das Publikum wirklich Mitleid empfinden wird, wenn der Thäter hier seine Prügel bekommt, ob es vom Unwillen gegen die Behörde ergriffen werden wird, ob es nicht vielmehr mit Genugthuung allgemein empfinden nnd aussprechen wird: dem Menschen geschieht nach Verdienst.
Ferner sagt man, die Prügelstrafe vernichte das Ehrgefühl nnd damit die Grnndbedingnng der Besserung, jn sie entspreche nicht einmal dem Zwecke der Ab- schreclnng, denn sie rufe in dem Gestraften Haß, Entrüstung nnd Widerstand ans. Wenn überhaupt — was ich schon in Abrede gestellt habe — bei einem rohen Gesellen von Ehrgefühl die Rede sein kann, so ist es wiederum nicht die Prügelstrafe allein, die das Ehrgefühl vernichtet. Wer fünf Jahre im Zuchthaus gesessen hat, wem die bürgerlichen Ehrenrechte auf zehn Jahre aberkannt sind, der dürste