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Die böhmischen Landtagswahlen
Alttschechen ans diesem Gebiete beinahe vernichtet, indem sich am Abend der Wahlschlacht von den neuuundvierzig Landgemeindebezirken nicht weniger als dreißig in ihren Händen befände». Die Altschechen waren hierüber selbstverständlich äußerst betreten nnd verdrießlich, sie hatten Wohl nichts Gutes, aber schwerlich solche Verluste erwartet, und ihre Presse zögerte nicht, die Regierung als mitbeteiligt an ihrer Schlappe hinzustellen und zu sagen, mit der alt- tschechischen Partei habe auch die Politik des Grafen Taaffe eine Niederlage erlitten. Unverhohlen gab das Prager Organ der Nlttschechcn, die offiziöse „Politik," dieser Anschauung Ausdruck, und das Blatt hatte damit gewiß nicht Unrecht. Wenn andre aber weiter gingen und meinten, das Regiernngsshstem Taaffes habe durch die böhmischen Landgemeindewahlcn, den Sieg der Jnngtschechen und den Erfolg der Deutschen in allen Orten, wo sie überhaupt Kaudidateu aufgestellt hatten, einen Stoß bekommen, von dein es sich niemals erholen werde, so war das arge Übertreibung, die sich bald als solche erweise» sollte. Auch das ist eine unrichtige Auffassung, daß die „Politik" glaubt, Taaffe habe diese Niederlage erlitten, weil er nicht hinreichend Farbe bekanut habe, um sich das Vertrauen der tschechischen Chnuviuisteu zu erwerben. Der wahre Grund ist der, daß die böhmischen Slawen noch immer von einem gewissen Hnssitengeiste, einem Freiheitsdrangc beseelt sind, der oft wirr uud gewaltsam und immer unvereinbar mit der politischen Richtung der Feudalen und Rvmlinge ist, denen Riegers Partei so lange Heerfolge geleistet hat. Die Stellung, die Nieger zum Liechtensteinschen Autrag einzunehmen für gut fand, das Verhalten der Alttschechen zu der Politik Kalnvkys, die ihnen nichts weniger als erwünscht war, die sie aber nicht zu bekämpfen wagten, endlich das unermüdliche Wühlen der tschechischen Jngend schlüge» dem Fasse den Boden aus. So fielen bei den in Rede stehenden Wahlen die alten Führer der Tschechen gegen wenig bekannte neue Leute, die nur deu einen Vorzug hatten, daß Gregr ihnen sein Vertrauen geschenkt hatte, und fortan wird das Tschcchentum im Landtage schärfer nnd weiter als bisher in zwei Hälften gespalten sein. Mit Schmerz muß Nieger diese Zerrissenheit gegenüber der Geschlossenheit der Deutschen beim Wahlkampfe wahrgenommen haben. Trotz der Unterstützung, die ihm Regierung, Hochadel nnd Geistlichkeit zu teil werden ließ, sah er auf seiner Seite Zweig auf Zweig fallen, während die Deutschen trotz der Ungunst der Verhältnisse nicht nur ihre sämtlichen Kandidaten mit einer durchschnittlich 90 Prozent betragenden Mehrheit durchwachten, sondern auch Kruman deu Händen Schwarzenbergs und seiner Gehilfen wieder entwanden.
Die weitere Folge der Wahlhandlungen hat das Bild, das die bisherigen Ereignisse hinterließe», verschoben und in wesentlichen Zügen derart verändert, daß die Tschechen über ihr Unglück ruhiger werden und über ihr Glück nicht mehr so laut jubeln können. Der letzte Auszug des Dramas, wenn