Am Panamcikanal
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letzten Kräfte für die schwere Kanalarbeit nicht mehr ausreichten. Alles, was der junge Gelehrte erblickte und auf Befragen erfuhr, erschien ihm unheimlich und peinlich und erweckte die seltsamste Mischung von Widerwillen und Abscheu in seiner Seele. Ehe er die eigentliche Zeltstadt und in dieser eine Art Schenke erreichte, die Pablo als die beste empfahl, sagte er sich bereits, daß er zu den Höllenklüften (Na,1eMg'ö) der Göttlichen Komödie eine neue schlimmere kennen gelernt habe. Die Danteschen Verse
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lagen beständig auf seinen Lippen.
So war es nur natürlich, daß er in der Bodega, kaum zu Sitz und Trunk gelangt, den Wirt, der sich sofort als einen Deutschen zu erkennen gab, mit hastigen Fragen bestürmte. Wer waren die Leute, die hier unter dem härtesten Zwang die schwerste Arbeit verrichteten, wie kam es, daß hier ausschließlich Musiker Hacke und Schaufel führten, was sollten die musikalischen Unterhaltungen unter der Trvpensonne und angesichts so schwerer Mühen, wer lockte diese unglücklichen Landsleute hierher, und wärmn war es nötig, ihnen durch das Anhören meist anspruchsvoller nud schwieriger Musik das Gefühl des Eleuds zu steigern? Warum sangen sie nicht lieber, anstatt dem Spiel auf verstimmten Klavieren oder dreisaitigen Geigen zu lauschen, und wie war der ganze tollhnuslerische Zustand hier zu erklären?
Der Wirt hörte die Fragen des Unerfahrucu mit überlegnem Lächeln an und sagte dann: „Ja, Herr, das ist alles sehr einfach! Der Kanal verschlingt Menschen, und in unserm alten Deutschland sorgen sie unermüdlich dafür, daß es nie an zehntausend Leuten gebricht, denen keine Zuflucht mehr bleibt als die Paumnaaktienkompagnie, die Schaufel und das Maisbrot, das sie hier im Tagelohn verdienen. Bor zwanzig, fünfundzwanzig Jahren, als ich noch drüben im Reiche war, fing das Unheil schon an, daß in der deutscheu Lieblingskunst, in der Musik, viele Tausende mehr ausgebildet wurden, als menschenmöglicherweise eine Versorgung in der Ausübung ihrer Kunst finden konnten. Die Konservatorien, Musikanstalteu und Gesangsinstitute, Hoch-, Mittel- und Klippschulen, schössen wie Pilze nach dem Regen ans. Da mußten schon alljährlich Hunderte und aber Hunderte ins Ausland wandern, wo der dentsche Musiker, sobald er mir bescheidne Stellungen beanspruchte, noch immer willkommen war. Als musikalischer Lehrer und Orchesterspieler fanden sie von Nußland bis nach Südamerika Unterkommen. Aber sie trngeu ihre gute Schule überall hin, die armen dummen Teufel! und überall bedürfte man ihrer von Jahr zu Jahr weniger. Derweile wendeten sich im alten Deutschland Tag für Tag immer wehr Meuscheu der Musik als Lebensberuf zu, und die Musikschulen vermehrten sich wie Kaninchen oder Mäuse. Nicht alle Welt war blind, Herr, man hörte