Der russische Gemeindebesitz in der Gegenwart
chon seit einer Reihe von Jahren macht sich unter den im Gemeindebesitz lebenden russischen Bauern eine Bewegung beinerklich, über die trotz ihrer hohen Wichtigkeit selbst in gebildeten russischen Kreisen noch wenig bekannt geworden ist; wo es wirklich der Fall war, wnrde sie mit Stillschweigen übergangen, ja teilweise geradezu geleugnet. Es ist dies der beginnende und mit jedem Jahre heftiger werdende Streit zwischen denjenigen Banern, die die Anskaufssummen für das ihnen bei der Aufhebung der Leibeigenschaft zugeteilte Land bis jetzt bezahlt haben, und den übrigen, die bloß auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur Gemeinde jetzt die unentgeltliche Zuteilung eines Anteils von dem ihrer Ansicht nach noch kommunistischen Gemeindebesitz verlangen.
Daß dieser Streit früher oder später ausbrechen würde, wurde von allen vorausgesehen, die in dem russischen Bauer nicht eiu ganz besonders ideal angelegtes Wesen sahen, das sich ans lanter Liebe und Sorge um das Wohlergehen seiner Nebenmenschen Jahrzehnte lang mit der Beschaffung der Ablösungssummen für das überwiesene Land abquälte, ohne dabei auch einmal zu fragen, ob mit diesem nicht gleichzeitig besondre Rechte erworben worden wären; doch schien der Verlauf der Dinge während der ersten Zeit der Bauernfreiheit den Gegnern dieser Ansicht mehr Recht zu geben, bis sich denn herausstellte, daß die Ansicht doch vollkommen richtig war, was besonders in den letzten sechs Jahren deutlich zu Tage getreten ist.
Über das Wesen des russischen Gemeindebesitzes uud die Bedeutung, die diesem „Urphänvmen des rnssisch-slawischen Lebens" von den Slawvphilen beigelegt wurde, ist zwar schon so viel geschrieben worden, daß die Gebildeten damit hinreichend bekannt sind. Trotzdem dürfte es mancher Leser wegen nicht überflüssig sein, über diese im Absterben begriffene Form des Grundbesitzes erst einige Worte hier vorauszuschicken.
Im Gegensatz zu dein westeuropäischeu Grundbesitz, bei dem mit Ausnahme verschwindender Reste des kommunistischen Besitzes überall nur das persönliche oder Privateigentum herrscht, lebte die ungeheure Masse der russischen Bauern im konunnnistischen Gemeindebesitz, wenn man diese Bezeichnnng wirklich brauchen darf. Die Gemeinde als solche ist nnd war allerdings alleiniger