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in der Sprachbildung allezeit wirksamen Mächte, die besonders in der deutschen Sprache oft zu den wunderlichsten Bereicherungen des Wortschatzes geführt hat.

So wurde schon frühe, um an eins der bekanntesten Beispiele zu erinnern, aus dem mittellateinischen a.ivubAlIi8t», gebildet aus arensBogen" und lzMista, (vom griechischen ^«»c>))Wurfmaschine," im deutschen Munde Armbrust. Daß das Wort Abenteuer (Fischart machte bekanntlich ausabenteuerlich" sein witzigesaffentcuer- lich"), das in seiner älteren, mittelhochdeutschen Form ^vontims ja deutlich noch an seinen Ursprung aus dem lateinischen »äventuraEreignis" (von aclvoniro im Sinne von svoniro) erinnert, zu einer Ableitung aus Abend nnd teuer verführte, ward unterstützt durch die Schreibung; seitdem es von deu Schmarotzern (d nnd h in Abendthcuer) gereinigt ist, verfallen wohl wenige noch auf jeue Etymologie, die ein dunkles Sprachgefühl seinerzeit befriedigte. Übrigens fehlt es, wie jüngst nachgewiesen worden ist (in der Zeitschrift für den deutschen Unterricht Band 3, S. 168), jenem Abenteuer nicht an einem interessanten Gegenstück, nämlich in dein mit mancherlei kleinen lautlichen Abweichungen weit verbreiteten Ortsnamen Mehl­theuer (eine ursprünglich ganz harmlose, aber nicht unwitzige Umdentung für den Namen von Mühlen), was auf ein lateinisches molitnra,, also (in seiner Ur­verwandtschaft) wenigstens ansmahlen," wenn auch uicht unmittelbar ansMehl," zurückweist. Nicht anders aber verfuhr mau mit Wörtern der eignen Sprache, deren Sinn durch zeitlich, landschaftlich oder sonstwie bewirkten Lautwandel so ver­dunkelt worden war, daß die geschäftige Einbildungskraft des Volkes freien Spiel­raum hatte und rasch einen Zusammenhang fand, der vor dem prüfenden Blick des heutigen Sprachforschers freilich nicht Bestand hält. So, wenn das biblische Sündflut, eine als göttliche Strafe für die Sünden der Menschen aufgetretene Überschwemmung, jedenfalls sinnig und bedeutungsvoll an Stelle des nicht mehr verstandenen Sintflut, eigentlich Sinflut (vgl. Singrün, d. i. Immergrün), das bedeutet eine große und lang anhaltende Flut, getreten ist; oder wenn man das Wort Friedhof Poetisch ansprechend an Frieden anlehnte, womit es von Hans aus nichts zu thun hat, da es vielmehr einen eingehegten, eingefriedigten Raum um die Kirche, auch einen Schutzort bezeichnet, wo dem Verfolgten Schonung wider­fährt; das Wort steht für Freithof, wie noch im 16. Jahrhundert gesagt wurde und in Süddentschland heute fortlebt, mittelhochdeutsch vrWiot von vritsnschonen" (gotisch lrsicljau). Der Gebildete, der im Lateinischen oder Französischen und Englischen Bescheid weiß, wird bei einigem Nachdenken, sobald er vom Zusammen­hang jener Sprachen eine Ahnnng hat, von den Wochennamen Dienstag und Freitag den letztern sofort auf die altgermanische Göttin I?ria, zurückführen (im französischen Voncirocli lateinisch Voneris cliss entspricht der Freia die Venus); und ist ihm aus der altnordischen Mythologie der Name Tyr, hochdeutsch Ziu ( niederdeutschem Tiu), augeflogen, so versteht er anch den Namen Dienstag, englisch ^uvscla.^, das ist der Tag des Tiu (lateinisch -lovis äiss, französisch Müi), richtig auszulegen. Wer die genannten Wörter hingegen nur vom Standpunkte der gegenwärtigen Sprache ansieht, dem ist die Deutung als Tag des Dienens uud Tag der Freiheit nicht zn verargen.

Welch eine Menge derartiger Umdeutungen und Umdeutschungen, an denen Witz und Mißverständnis gleichen Anteil haben, unsre Sprache birgt, zeigt das, seit seinem ersten Erscheinen im Jahre 1876 nunmehr bereits zum fünftenmale aufgelegte, für den Laien wie den ernsten Sprachforscher gleich anziehende und lehr­reiche Buch Audreseus. Das Register führt mehr als 7000 meist deutscher Wörter ciuf, die der ebenso findige wie fleißige nnd kenntnisreiche Gelehrte in den Bereich