Akademisches 5tntnnm und allgemeine Bildung ^^^j
Studiums und der Beschäftigung allein mit dem einen Fache des künftigen Bernfes, die in freiwilligem Verzicht auf das kostbarste Vorrecht des deutschen Studenten den Gesichtspunkt des Erwerbes geltend macht, wo es sich nm die höchsten geistigen Güter handelt. In den Klvsterschulen kannte man das herrliche Gut nicht, das jenen freien, oft heimatlos und in Dürftigkeit pilgernden Gelehrtengemeinden für manche Entbehrung reichen Ersatz gewährte: der deutsche Student, der in der glücklichsten und empfäiustichsten Zeit des Lebens den Blick nicht über die Schranken des künftigen Berufs zu erheben vermag, bringt sich selbst um den Platz, ans den ihn ein gütiges Geschick gestellt hat, verscherzt leichtsinnig ein herrliches Erbe und macht sich — was schlimmer ist — aus einem Freien zu einem Unfreien.
Wenn die Studeuten die akademische Freiheit, statt sie in Ähnlichkeiten zu suchen, die doch nnr dann berechtigt sind, wenn sie einem höhern geistigen vder sittlichen Inhalte zum Ausdruck verhelfen, in diesem ursprünglichen und höhern Sinne begreifen und sich gegenwärtig halten, wenn sie aus ihr und nicht ans Prüfungsordnungen und Berufsregeln die Richtschnur auch für deu Betrieb ihrer Studien entnehmen wollten, dann würden die Schranken alsbald wieder fallen, die jetzt, Zusammengehöriges unnatürlich trennend, die einzelnen Stndieiigebiete von einander scheiden und die Jünger des einen geflissentlich von der Umschan in den Nachbargebieten abhalten, dann würden sie, wie es unsre Voreltern gethan haben, weiterbauend auf der humamstischen Bildung, die sie von dem Gymnasium mitbrachten, nnd anknüpfend an die Fülle der darin gegebenen Anregungen, ihrem Fachstudium eiue breitere Grundlage und einen bessern Boden bereiten, indem sie mich während ihrer Studienzeit mit dem klassischen Altertum als der geschichtlich gegebenen Grundlage unsrer ganzen Bildung Fühlung behalten, sich Einsicht verschaffen in die Wege, auf denen die kühnsten Denker aller Zeiten die Rätsel des Daseins zu lösen versucht haben, uud eine lebendige Anschauung gewinnen von dem Werden und Wachsen, deu geschichtlich gegebeueu Existenzbedingungen und Aufgaben unsers Volkes uud seines Staates. Dann erst wird sich ihnen ihr Bernfsstudium mit dein gesamten geistigen Leben ihres Volks verknüpfen, uud auch späterhin wird die Alltagsarbeit des Berufs von da aus durchgeistigt und auch ihrerseits von dem lebendigen Pulsschlnge der allgemeinen Entwicklung mitbewegt werden. Dauu Nurd es weder der Zwangskollegien, noch der Zwischenprüfungen, noch einer besondern Betonung der allgemeinen Bildung bei den Staatsprüfungen bedürfen, um unsrer akademischen Jugend, unserm Beamtentum in Staat uud Kirche nnd damit dem gesamten dcntschen Bürgertume das kostbare Gut einer hohen nationalen Bildung zn erhalten uud zu mehren.