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Ader so geistreich diese Ausführungen sind und so sehr sie durch eine gewisse feine Ironie anmnten, sie entbehren doch der Begründung und werden widerlegt durch eiueu Blick auf die geschichtliche Entwicklung der betreffenden Institutionen. Denn nach dem streng geregelten Lehr- und Lernbetriebe der mittelalterliche» Universitäten hies; uud war die philosophische Fakultät die untere einfach deshalb, weil sie, abgesehen von den in ihr verfolgten besondern wissenschaftlichen Zwecken, allen, die sich dem Studium der Theologie, der Jurisprudenz oder der Medizin widmen wollten, die nötige allgemeine Vorbildung und geistige Schulung gab. Man mußte erst durch eiueu mehrjährige» philosophischen Kursus hindurchgegangen sei», ehe man zu der besondern Bildung für den erwählten Berns zugelassen wurde.") Die Bezeichnung als uutcre Fakultät entbehrte also ursprünglich jedes Übeln Nebellsinns: sie wollte nichts weiter sagen, als daß die wissenschaftliche Beschäftignng mit einem eng begrenzten und auf praktische Thätigkeit zugeschnittenen Bernfsstndium im Interesse eben dieses Berufs selbst erst gestattet werden könne auf Grund des Nachweises einer gewissen allgemeinen Bildung. Nicht als minderwertig im Vergleich mit den andern Fakultäten sollte die philosophische bezeichnet sein: man erkannte sie vielmehr an als berufen, breit und fest das Fundament zu legen, dessen der Bau des Specialfaches, wenn er wohlgefügt uud harmouisch aufgeführt worden sollte, nicht entbehren konnte.
Mit Unrecht aber hat man gemeint, die philosophische Fakultät habe ehemals die Stellung eingenvmmc», in der wir hellte die zur Universität vorbereitende» höheren Lehranstalten finden. Das trifft schon deshalb nicht zn, weil damals die Zulassung zn einer obern Fakultät meist bediugt war durch den Nachweis des philosophischen Magistergrades, der nicht selten wiederum eine mehrjährige Lehrthätigkeit in der philosophischen Fakultät voraussetzte. Die Philosophen, oder wie sie damals benannt wurden, die Artisten sollte» lind wollteil keinem besondern Beruf dieueu uud verzichteten von vornherein aus Uberinitteluug eines bestimmten Maßes von Kenntnissen zn praktischer Verwertung im Leben. Deshalb hat Papst Jnnveenz IV. sie einmal geradezu als die Vertreter der „wahreu Wissenschaft" bezeichnet, weil sie diese nur um ihrer selbst willen trieben. Das traf aber nnch insofern zu, als die Artistenfakultät mnerhnlb der Universitäten überhaupt die Trägerin des allgemeinen wissenschaftlichen Lebens war: alle die große» Geisteskämpfe, die für die Eutwicklung der wissenschaftlichen Prinzipien und die Vervvllkvmmnnilg der Methoden entscheidend wurden, sind iu ihr, vou ihre» Gliedern, mit ihren Waffen aus- gefvchte» worden, vv» ihr habe» die andern Fakultäten die leitende» allgemeinen Gesichtspunkte nnd die ihre Forschung regelnden allgemeinen Gesetze nnpfangen.
*) Vgl. Kaufmann, Geschichte der deutschen Universitäten I, S. 265 ff.