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Litteratur
solcher Berichte hatte sich jene Ansicht gebildet. Wenn, wie es scheint, in den allerletzten Jahren andre Grundsätze die Verwaltung leiten, so wird das ohne Zweifel von Nutzen sein. Die weiteren Bemerkungen, dasz das Haus nicht mehr Goethes Geburtshaus geuann twcrden könne, weil der Vater es hat umbauen lassen, daß die Bildnisse nicht in dem größten, sondern in einem der größten Zimmer gehangen haben und nunmehr nicht in einem Hvfzimmcr hängen, sondern in einem Zimmer, dessen Fenster nach dem Hofe sieht (oder vielleicht sehen — damit nicht wieder eine Berichtigung notwendig wird!) dürfte der Verfasser der Berichtigung selbst kaum für erheblich halten; und endlich wird als Nationalheiligtnm, welcher Ausdruck auch Austvß erregt zu haben scheint, Wohl trotzdem das Haus am Großen Hirschgraben immer angesehen werden.
Litteratur
Volk und Nation. Eine Studie von Fr. I, Neumann. Leipzig, Dunker Humblot, 1888
Was besagt der Ausdruck Volk, und was bedeutet Nation? Es giebt Leute, die hier keine Verschiedenheit sehen und die beiden Worte als synonym betrachten oder doch meiueu, es lohne nicht der Mühe, Unsicherheiten des Sprachgebrauchs iu Bezug auf sie zu untersuchen. Hierzu gehören Gelehrte der jüngsten Zeit wie Ahrens in seinem Werke über Naturrechl und Mvhl in seiner Encyklopädie der Stnatswissenschllfte». Anders Bluutschli, dem „Volk" eiu natürlicher Begriff, „Nation" eiu politischer erschien, was er später dahiu abänderte, daß er „Volk" als „Ausdruck für politische Einheit." „Nation" als „Knlturbegriff" defiuirte. Andre sagen, „Nation" sei das zu einem selbständigen Staate gewordene Volk. Der Verfasser unsrer Schrift unterwirft die Frage einer Untersnchung und gelaugt zu dem Ergebnis, daß allerdings eiu Unterschied zwischen beiden Ausdrücken sei, jene Definitionen aber nicht das Rechte treffen. Wir dürfen von dem Volke des Königreichs Württemberg, sogar von dem des Fürstentums Neuß und dem des Kantons Uri sprechen, würden uns aber lächerlich mache», wenn wir von einer württembergischeu, einer reußischen, einer urischen Nation reden wollten. Zweifellos ist ferner, daß uns auch unzivilisirte Stämme und Horden als Völker erscheinen, nicht aber als Nationen. Besonders deutlich tritt sodann der Unterschied zwischen „Volk" und „Nation" in manchen Verbindungen dieser Wörter mit andern hervor: Volkslied z. B. ist nicht Natiouallied, Volkstheater nicht Nationaltheater. Volksfest nicht Natiounlfest, Volksbcmk nicht Natioualbank, und wir kennen wohl Vvlks- frende, nicht aber Nationalfreude, wohl einen Nationalstolz, aber keinen VolkSstvlz. Wir können den Gedankengang des Verfassers hier nicht weiter verfolgen und noch weniger die vielen Belege für seine Behauptungen, Widerlegungen uud Einschränkungen mich nur zum Teil wiedergeben uud müssen uus damit begnügen, die Ergebnisse seiner Betrachtungen mitzuteilen. Die Begriffe, die in politischen und sozialen Wissenschaften mit dem Worte „Volk" zu verbinden sind, fassen sich ihm in die Worte zusammen, daß „Volk" erstens heutzutage der unter allen Umständen zulässige Ausdruck für die Gesamtheit der Angehörigen