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Das adliche und das bürgerliche Element im deutschen Heere
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Das adliche und das bürgerliche Element im deutschen Heere

Anderseits ist der bürgerliche Offizier genötigt, sich die von allen andern Ständen, zumal von den emporgekommenen Vertretern des Kapitals, die heut- zntage außerhalb des Heeres eine so große Rolle spielen, ihn unterscheidende Denkungsart und die Umgangsformen anzueignen, die durch das adliche Offizier­korps Friedrichs des Großen uud früherer Regenten in die Armee eingeführt worden sind, sich seitdem von Geschlecht zu Geschlecht vererbt haben und seiner Zeit dem adlichen Offizier seine bevorzugte Stellung in der Gesellschaft sicherten und heute die Aufrechthaltnug derselben dein Offizier jeglicher Herkunft ermög­lichen, vorausgesetzt, daß er diese uicht blos zur Schau trägt, sondern sich zu eigen macht, er mag im übrigen mit was für Anschauungen auch immer von Hause aus eingetreten sein.

Daß jeder der beiden Teile die Vorzüge des andern sich aneignet, dadurch wird die Ausgleichung zwischen beiden beschleunigt werden. Ist dieses Ziel erreicht, so wird kein Grund sür die Heeresleitung mehr vorhanden sein, hinsichtlich der Beförderung einen Unterschied zwischen adlichen und nichtndlichen Offizieren zu machen. Das schließt nicht aus, daß es bei der Eigentümlichkeit der Heeres­einrichtungen wie der Verhältnisse des Offizierkorps überhaupt Verwendungen giebt, für die oetsrig xaridus ein adlicher Offizier aus Reprüscntations- oder sonstigen Rücksichten besser geeignet erscheint, als ein bürgerlicher; darin liegt aber keine Zurücksetzung des letztern, uud es lassen sich sehr Wohl Ver­hältnisse denken, wo gleichfalls oeteris xg-ridns ein bürgerlicher Offizier den Vorzug verdienen könnte.

' Das Offizierkorps ist also zwar keine aristokratische Einrichtung mehr, aber auch noch keine demokratische, wird dies auch nie werden. Es besteht wenigstens kein Grund, im Heere die sozialen Einrichtungen auf den Kopf zu stellen, solange es außerhalb desselben nicht geschieht.

Das deutsche Heer ist ein monarchisches und kein republikanisches, und wen» auch im 19. Jahrhundert uicht mehr wie im vorigen die verschiedenen Abstufungen des Adels als die Sprosfeu einer bis zum Throne gedachten Leiter betrachtet werden, wenn auch unsre Zeit mit dieser patriarchalischen Anschammg für immer aufgeräumt hat, so sind doch die ausgleichenden Ideen im monarchischen kaiserliche,: Heere noch lange nicht so weit gediehen, um den Adel als soziale Einrichtung in der Gegenwart als wertlos erscheinen zu lassen. Als eiu Zeichen, daß wir uns dieser Stufe nähern, wird es vornehmlich zn betrachten sein, wenn die Vertreter des empvrgekvmmenen Kapitals beider Religionen aufgehört haben werden, einen Teil ihres Kapitals zur Erwerbung von Adelstiteln zu verwenden. Diese Leute sind mit einer außerordentlich scharfen Witterung für die bestehenden sozialen Abstufungen ausgerüstet, und solange diesen als sehnlichstes Ziel ihres Strebens eine Freiherreukrone erscheint, billiger thun sie es ja nicht hat es mit der endgiltigen sozialen Nivel- liruug des Adels in der heutigen Gesellschaft gute Weile.