Beitrag 
David Beronski :
(Fortsetzung.)
Seite
256
Einzelbild herunterladen
 

256

David Beronski.

David wendete sich schaudernd ab. Der letzte Blick auf die Gattin seiner Jugend zeigte sie ihm abschreckend, hart und erbarmungslos, er war sicher, sie würde ihn mitleidslos opfern.

Neben dem Lager lag eine Decke; er hob sie auf, schlang sie um sich und Rahel, verließ leise, unhörbar das Gemach und durchschritt wie ein Dieb das Haus.

Aus einem andern Zimmer tönte unterdrücktes Schluchzen. Die Gattin des Abtrünnigen, welche die Strafe auf sein Haupt herab befchworen hatte, schlief die Mutter beweinte ihren Sohn nnd wollte sich nicht trösten lassen. Zu jeder andern Zeit hätten diese Laute David zurückgehalten und gefesselt, jetzt achtete er kaum darauf. Er mußte sein Kind, seine Rahel in Sicherheit bringen.

Er zog seine Schuhe wieder an, trat vor das Haus hinaus und ging durch die Straßen, zwischen den Hünsern hin, die er seit seinen Kinderjahren täglich gesehen hatte. Er kannte jede Hütte, wußte, wer darin wohnte, aber er dachte nicht daran, daß er alles jetzt zum letzten male sähe. Fort, fort! Nur rasch fort!

Vor dem Hause des Karcilten blieb er einen Augenblick stehen, um Rahel fester einzuhüllen, denn der Wind blies stärker. Aber so leise seine Schritte auch waren, ein wachsames Ohr hatte sie doch gehört. Jeschka stand sofort am Fenster nnd spähte hinaus. Schlaflos hatte sie auf ihrem Lager gelegen und dnrch das Fenster nach den Sternen empor geblickt. Konnte es der sein, dessen Tritt sie stets schon von weitem erkannte? Wie kam er nachts hierher, uud was trieb ihu hinaus?

Sie schlich zur Hütte hinaus und eilte ihm flüchtigen Fußes nach. Aber er war ihr weit voraus und sie sah ihn nicht mehr.

Der Wind war in der Nähe des Teiches viel stärker, und bei einem Ver­suche Davids, die Kleine besser einzuhüllen, zerrte er an der Decke, welche David um sie geschlungen hatte, und entführte sie ihm, indem er zugleich feine Kopf­bedeckung herabwchte und beides dem Sumpfe zutrieb, wo es im Röhricht häugeu blieb. Es war für David ein herber Verlust, deunoch dürfte er keinen Versuch macheu, die Decke wieder zu erlangen. Der Zeitverlust wie die Un­möglichkeit, die Nähe des Sumpfes in Sicherheit zu erreichen, verboten es. So wickelte er das Tuch fester um die Kleine, und indem er sie noch in die Falten seines Kaftcms hüllte, ging er unter dem Sternenhimmel dahin, der un- bekaunten Ferne zu, ohne Hilfe, ohne Freunde, allein, mit einem unmün­digen, noch der größten Sorgfalt bedürfenden Kinde, verlassen und hilflos, doch stark in seinem Glauben und seinem festen Vertrauen auf den, der ihn auf so wunderbare Weise zu sich gezogen hatte. So verlor er sich in dem rasch herabsinkeuden Nebel, der sich um ihn schloß, als wollte er ihn von der Ober­fläche der Erde hinweg nehmen.