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Der Wucher auf dem Lande.
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Der Wucher ans dem Lande.

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unrentabel, ihn selbst znr Beute des Wucherers macht. Diese Traktirerei vor und bei dem Versteigern ist übrigens gesetzlich verboten, freilich erst auf Antrag eines Vereins gegen den Wucher, der den natürlichen Anschluß an die Regic- ruugs- und Gerichtsbehörden mit Eifer pflegt.

Ein bedeutender Zweig des Wuchers ist, wie schon erwähnt, der Vieh- haudel und die Vichleihe; er kommt nach den Berichten viel allgemeiner in Betracht als ein andrer Zweig. Der kleine Bauer kaun ohne Vieh nicht ge­deihen, uud wiederum traut er sich uicht die Einsicht zu, auf dem Markte richtig zu wählen und zu kaufen. Der Handelsmann dagegen weiß alles nötige, wie der Bauer glaubt. So ist er deun in dessen Hand bei Kauf uud Verkauf, bei Tausch uud Viehleihe, diesem leider so entwürdigenden uud ganze Gehöfte verderbenden Geschäfte. Noch schlimmer ist der Wucher beim Pferdehcmdcl, den viele Handelsleute als Spezialität betreiben. Auch hier einige Beispiele (S. 135 ff.), die zugleich in einen andern Teil der Frage eingreifen, indem sie zeigen, daß das Dasein von Vereinen gegen den Wucher vieles Elend ver­hindert. Wenn nämlich die Wucherer erfahren, daß der Verein vorkommenden Falles die Viehprozcsse seiner Mitglieder in die Hand nimmt und die Kosten und den Rechtsbeistand stellt, nehmen sie ihre unsauberen Klagen noch recht­zeitig znrück, denn sie haben erlebt, daß ein einziger verlorener Pferdcprozeß 2000 Mark gekostet hat. A. verkaufte im Oktober 1885 ein Pferd an den Händler B. Dieser nahm das Pferd uicht ab, weil es lahme. Der Verein klagt für A., das Landgericht in Trier verurteilt deu B. Nach dein Urteil ist das Pferd in Wirklichkeit nicht lahm gewesen, B. hat selbst nicht an die Lahm­heit des Tieres geglaubt, er wollte nur das Pferd bei A. billig überwintern lassen. Eine Witwe A. verkaufte im Juni 1885 ein Pferd an Cohn. Cohn teilt am 21. Juni mit, daß das Pferd nach Leipzig verkauft und dort krepirt sei, er läßt der A. eine Aufforderung des Rcchtscmwalts zugehen, des Inhalts, umgehend Kaufpreis, Kosten uud Zinsen zu zahlen. Nach dem Rate des Vereins antwortete die A. gar nicht, die freche Klage wurde in Wirklichkeit nicht ver­sucht; das Tier war gcmz gesund gewesen. So geht es ins Unendliche fort, alle möglichen Fehler werden dem gekauften Tiere augedichtet, es ist einWiud- schöpfer," einKrampenzieher," ciuZuugenschläger"; vielleicht schüchtert es doch den Verkäufer ein, sodaß er einen Teil des Kaufpreises nachläßt, und das ist ja der Zweck.

Verschiedene Berichterstatter weisen darauf hin, daß die mannichfcichen Ge­schäfte, die wir ans diesem Gebiete antreffen, im einzelnen durchaus nicht wucherisch zu sein brauchen, sondern erst in ihrem Zusammenhange znm Wucher werden. So wird vom Wucherer ein Darlehen in einen Kauf umgekleidet. Ein Bauer braucht 3000 Mark, der Wucherer kauft seiu Haus sür 4000 Mark und zahlt baar 3000 Mark. Der Bauer soll das Haus zu bestimmter Zeit für 5000 Mark zurückkaufen; er kann es aber nicht, so bleiben die 4000 Mark