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Kleinere Mitteilungen.
man sich nichts denkt, es schickt sich nicht, Hilfesuchenden Ratschläge zu geben, die sie eben so klug lassen wie zuvor. „Es schickt sich nicht, taktlos zu sein. Weiß man nicht, was Takt ist, so soll man wenigstens erst an andre, dann an sich denken, und dies Wird den Takt einigermaßen ersetzen," so lehrt wörtlich eine in Prag erschienene Bearbeitung des „Don't." Ist das nicht köstlich? Hat der Verfertiger dieses Buches, der doch augenscheinlich nicht weiß, was Takt ist, wirklich zuerst an andre gedacht, um deu Mangel „einigermaßen" auszugleichen? „Es schickt sich nicht, fehlerhaft zusprechen." „Es schickt sich nicht, mir statt mich zusagen," steht gleichlautend in mehreren Ausgaben. So viel bekannt, wissen von den Menschen, welche fehlerhast sprechen, die allermeisten nicht, daß sie dies thun, nnd der kleine Rest will sich eben dadurch interessant machen. Es sollen ja schon Leute dadurch ihr Glück gemacht haben, daß sie sagen: „Ick weeß man »ich" oder: ,,J woas net." Die andern aber, wie sollen sie es anfangen, nicht in den Fehler zu verfallen? Antwort: „Man lerne die Grammatik und lese die Werke der besten Schriftsteller." In der That sehr einfach, doch ließe sich dasselbe noch einfacher sagen: „Man sei gebildet." Weiter: „Es schickt sich nicht, eingebildet, aufbrausend und beleidigend zu sein. Es schickt sich nicht, andre zu unterschätzen und sich zu überheben. Es schickt sich uicht, selbstgefällig, eingebildet und eitel zu sei». Es schickt sich nicht, Thatsachen zu verdrehen. Es schickt sich nicht, ein Geck oder ein Modenarr zu sein." Sollte es nicht auch unschicklich sein, gegen die zehn Gebote zu verstoßen? Schickt es sich nicht vielleicht, geistreich, talentvoll, mutig u. s. w. zu sein? Wir haben ferner den Satz vermißt: „Es schickt sich nicht, ein häßliches Gesicht oder krumme Beine zu haben." Bei Tische „pöbelhaft zu sein" oder in Gesellschaft im Schlafrock zu erscheinen, wird ebenso untersagt, wie „etwas zu tragen, das hübsch ist!" Doch genug des Unsinns und der Gemeinplätze, unter deren Menge die für manchen nützlichen Winke verschwindcn, und die den Armen, der ein solches Buch zur Richtschnur nimmt, nur verwirren können. Dem Prager Verleger empfehlen wir für die nächste Auflage uoch einen Satz: „Es schickt sich nicht, den Titel eines Buches in diagonaler Richtung auf dem Umschlag anzubringen, denn das verrät einen schlechten Geschmack."
Nochmals „unentwegt." So von Herzen einverstanden ich auch mit den sonstigen Ausführungen des Artikclchens „Unentwegt" am Schlüsse von Nr. 28 dieser Blätter bin, so kann ich doch gerade hinsichtlich des anlaßgebenden Wortes nicht zustimmen. „Unentwegt" ist weder von Johannes Scherr noch von sonst jemandem erfunden worden; es ist ganz einfach ein schweizerischer Provinzialismus, uud als solcher denn doch nicht ganz unberechtigt. In einem Berglande ist es eine große Sache, wenn jemand die Gabe hat, sich nicht von seinem Wege abdrängen zu lassen, und es läßt sich sehr wohl denken, wie dieser Ausdruck so recht aus dem Völksleben heraus schließlich ein bildlicher wurde. In dieser seiner besondern Bedeutung, die in der schweizerischen Presse und in dein dortigen öffentlichen Leben auch durchaus festgehalten wird, dürfte das Wort doch wohl weder dnrch „beharrlich" noch durch „standhaft" ersetzt werden können; es will wieder etwas andres sagen, mit dem sich in höherem Grade als mit den beiden genannten Wörtern der Begriff eines bestimmten, unerschütterlich im Auge behalten«» Zieles verbindet. Vollkommen richtig ist es freilich, daß dieses Wort wie viele andre unsers heutigen „Zeitungsdeutsch" ohue Rücksicht auf seine besondre Bedeutung und wohl gar ohne Kenntnis derselben benutzt zu werden pflegt, und daß man es überhaupt da, wo es nicht bodenwüchfig ist, besser nicht benutzen sollte; daß es aber