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Staat und Kirche im Reiche der Westgoten.
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Staat und Kirche im Reiche der Westgoten.

gleichsam gegebener erster Minister. Immerhin hatte der König großen Einfluß auf die Beratung, einen weitern gewährte ihm die Strafgewalt nnd seine Be­fugnis, die Bischöfe zu ernennen. In der ältern Zeit waren sie von Volk und Prvvinzialcpiskopat vorgeschlagen und auf Rat des Metropolitan vom Könige genehmigt worden, bei der zunehmend aristokratischen Richtung konnte das zwölfte Konzil von Toledo dem Könige die Ernennung, die Einsetzung dem Erzbischof von Toledo überweisen. War die Erhebung erfolgt, dann hatte die Staatsgewalt nicht mehr die Person in den Händen, sodaß auf Konzilien Könige entthront und Usurpatoren anerkannt worden sind. Der Einfluß steigerte den Reichtum der Bischöfe bisweilen ins Ungemesfene, beides brachte Verweltlichung und Vermehrung der Befugnisse gegen Laienbcamtcn. Längst hatten sie sich den Fesseln des Standes entwunden, an der Spitze ihrer Gewappneten zogen sie ins Feld. Krieg, Politik und Güterverwaltung überwogen nicht selten die geistlichen Interessen. Der Gerichtsstand des Klerus schwankte, im wesentlichen blieben sie dem weltlichen Gesetz Unterthan.

Trotz naher Beziehung zu Rom trat die Augehörigkeit zur allgemeinen Kirche vor der des Landes zurück, namentlich seitdem Toledo den Primat er­langt hatte. Im Gegensatz zn dein sonst Üblichen wnrde die spanische Zeit­rechnung, welche achtunddrcißig Jahre vor der christlichen beginnt, zur gotischen Ncichsära. Der Metropolit führte in den Konzilien den Vorsitz und erhob mit dem Könige die Bischöfe, war thatsächlicher Mitregent, nicht selten Ober­regent. Das achte Konzil sprach aus, die Bischöfe seien durch Christus Vorgesetzte der Völker. Zur Hebung des Glanzes der Hauptstadt befahl das siebente Konzil, daß die benachbarten Bischöfe jährlich dort einen Monat verbringen sollten. In Toledo versammelten sich die Neichskonzilien. Keine Kirche des Morgen- oder Abendlandes kannte einen gleich unumschränkten Primat als die der Pyrenäenhalbinsel.

Das Gvtenreich war ein kranker Kulturstaat, morsch in seinem Gesüge, ohne Schwung nnd Opfermut. Da kamen die Jünger Mohammeds, deren Wangen uoch nicht erbleicht von nagenden Gedanken, deren Leiber unter Afrikas glühender Sonne gedörrt waren, und grün, in der Hoffnung Farbe, flatterte ihnen das Banner des Propheten voran. Die Kraft, die Wildheit der Begeisterung siegten. Erst die Not ließ ein neues Geschlecht in den asturischen Bergen ge­deihen, ritterlich, fromm und fanatisch, das nach blutigem Hcldenkmnpfe an der Stelle des Halbmondes wieder das siegende Kreuz erhob.