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Zu dem jüngsten Lntwnrf eines Prozeßkostengesetzes.
treten, während diese nach dem preußischen Tarif nicht besonders berechnet wurden. Die geringern Gebühren, welche das Neichsgcsctz für den Urkunden- und Wechselprozeß eingeführt hat, mindern, bei der Seltenheit dieser Prozesse, das Verhältnis nicht in sehr erheblichem Maße. Die durch das Gesetz vom 29. Juni 1881 herbeigeführte Minderung war gewiß sehr dankenswert. Aber sie betraf doch nur eine Anzahl Nebeugcbühren. Deshalb können wir auch nicht in dieser Minderung den Hauptgrund erblicken, weshalb die Einnahmen an Gerichtskosten im Jahre 1882 so erheblich unter die des Jahres 1881 hcrab- gegcmgen sind. Das Herabgehcu der Gerichtskosteueiuuahmcn gegen früher hat überhaupt seiueu Grund in der Verminderung der Prozesse, einer Folge der hohen Kosten. Diese wurden aber erst nach einiger Zeit im Publikum fühlbar und äußerten dcnm erst ihre volle Wirkung. Im Jahre 1881 wurden in Preußen noch 537 766 Prozesse anhängig gemacht. Erst im Jahre 1882 sank diese Zahl auf 506 911. Auch spielten während der Jahre 1880 und 1881 noch eine Menge Prozesse fort, die schon vor dem 1. Oktober 1879 angefangen hatten. Daraus erklärt sich, daß im Jahre 1831 noch weit größere Kosten eingingen.
Gleichwohl steht dem Begehren nach Herabsetzung der Gerichtsgebührcn unleugbar die Thatsache gegenüber, daß seit der neuen Gerichtsorganisation die Einnahmen der Zivilrechtspflege erheblich gesunken, die Kosten der Justiz aber in die Höhe gegangen sind. Im Jahre 1877/78 betrugen iu Preußen (jedoch unter Nichteinrechnnng der Bezirke Celle, Köln und Frankfurt) die Kosten der Gerichte 46617374 Mark, die Einnahmen 19302333 Mark. Im Jahre 1881/82 betrugen die Kosten der Gerichte (für die ganze Monarchie) 51846002 Mark, die Einnahmen aber noch 18238614 Mark. Im Jahre 1884/85 betrugen dagegen die Kosten der Gerichte (für die ganze Monarchie) 57 850 202 Mark, die Einnahmen nur noch 15 240 671 Mark. Die Einnahmen im Vergleich mit den Ausgaben sind also von 41,4 Prozent (1877) uud 35,2 Prozent (1881) auf 26,3 Prozent (1884) heruntergegangen. Zieht man nun weiter in Betracht, daß die meisten deutscheu Staaten an Fiuauzuot leiden, so ist ja sehr begreiflich, daß die Regierungen einer Minderung der Einnahmen an Gcrichtskosten mit Abneigung gegenüberstehen.
Was die Anwaltsgebühren betrifft, so könnte man es für ein kulturgeschichtliches Rätsel halten, daß die Anwälte, welche bis zum Jahre 1875 mit ungefähr halb so großen Gebühren, von 1875 bis 1879 aber mit ungefähr fünf Achteln der jetzigen Gebühren arbeiteten und dabei recht anständig, zum Teil sogar sehr reichlich lebten, nach der einmütigen Versicherung ihrer Vorstände ohne die vollen jetzigen Gebühren nicht mehr würden leben können. Vielleicht aber dient es zur Klärung der Sache, wenn wir nns einiger frühern Vorgänge erinnern.
Als bei der Verhandlung im Reichstage über die Anwaltsgebührenordnung