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Bewegungen in der katholischen Welt.
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Bewegungen in der katholischen Welt.

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dafür dankbar sein müssen. DieGermania" hat diese Bedeutung des Päpst­lichen Eintretens für das Septennat auch wohl erkannt, denn sie begründete die Unmöglichkeit dieser Intervention ihres Kirchenhauptes damit, daß es sich hierbei um internationale Fragen handle, bei denen dem Papst Zurückhaltung geboten sei. Diese Bemerkung kounte keilten andern Zweck haben, als Leo XIII. einzuschüchtern und ihn mit dem Zorn der Franzosen zu bedrohen. Diese aber haben die friedliche Natur des päpstlichen Wunsches auf den ersten Blick ver­standen und ihre Zeitungen, welche zur Verhüllung ihrer kriegerischen Absichten jetzt für gnt halten, den Frieden zu betoueu, haben, wie z. B. der ?smx«, sofort auf deu friedlicheil Charakter der päpstlichen Kundgebung aufmerksam gemacht.

Der päpstliche Wunsch, daß das Zentrum die Regierungsvorlage annehmen solle, ist den Führern schon vor der Abstimmung im Reichstage mitgeteilt, aber von diesen, wie erwähut, unterschlagen worden. Freiherr von Franckenstcin hat sein Verfahren zn rechtfertigen versucht; trotzdem beharrt der Papst dabei, daß es wünschenswert sei, daß das Zentrum für das Septeunat stimme, und er erklärt, daß er diesen Wnnsch auskirchlichen und moralischen Gründen" stelle. Wenn demgegenüber der Abgeordnete Windthorst vor den katholischen Wählern der Nhcinlande in Köln behauptete, daß die Erfüllung dieses Wunsches dem Zentrum unmöglich sei, wenn dieGermania," dieSchlesische Volkszeitung" und ähnliche Blätter des Zentrums erklären, daß man nicht für Septennatsanhängcr stimmen dürfe, so besteht unter den deutschen Katholiken bereits eine Partei, welche auch iu kirchlicheu Angelegenheiten dem Papste den Gehorsam verweigert. Damit hat die von uns bereits früher nachgewiesene revolutionäre Bewegung in der katholischen Welt ihren Höhepunkt erreicht. Die Fanatisirnng der Massen, wie sie dnrch den welfischcn Zentrumsführer erfolgt ist, ist mit allen Mitteln demokratischer Agitation in Szene gesetzt worden, und man darf sich daher nicht wundern, wenn Sturm geerntet wird, wo Wind gesäet wurde. Die Untergrabung der Autorität im Staate, wie sie von dem welfischcn Agitator seit der Gründnng des deutschen Reiches in einer den sozialen Frieden unter den verschiedeueu Bevölkeningsklasseu gefährdenden Weise betrieben worden ist, hat die Leidenschaften der Muffe geweckt und beginnt das Gefühl der Ehrfurcht auch gegen das kirchliche Oberhaupt zu ersticken. In dem Organ eines der be­rüchtigtsten Hetzagitatoren des Zentrums, in derSchlesischen Volkszeitung" des die Diözese Breslau anonym beherrschenden Domherrn Franz wird mit nicht mißzuverstchender Wendung gefragt, ob man Leo XIII. für einen alters­schwachen Greis halte, der sich von einigen Phrasen des Fürsten Bismarck be­thören lasse. Kann eine solche Äußerung über den höchsten Lenker der ka­tholischen Christenheit ohne demvralisirenden Einfluß bleiben? Der Abgeordnete Windthorst hat in der Kölner Kathvlikenvcrsammlnng bemerkt, daß er bereit sei, den Papst als Schiedsrichter zwischen Zentrum uud Negierung anzuerkennen,