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Friedrich Hebbels Tagebücher von 1842 bis 1863.
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der Natur als des Menschenherzens hineinführt," ein Werkohne allen Wert" nennt, wenn er noch in den letzten Jahren seine Übereinstimmung mit Carlyle betont, der sich bekanntlich in einer weitgehenden Geringschätzung Walter Scotts gefiel, so waren dies eben Ausflüsse der besondern Natur Hcbbels. Wie zahl­reiche Menschen alles fürchten, was eine Tiefe hat, fürchtete er alles, was eine Breite hat.

Am augenscheinlichsten ist die Wirkung des Sonnenscheins in Hebbels Wiener Jahren dadurch, daß die grübelnde Versenkung iu gewisse äußerste Fälle, die ihm als Konsequenz der Dinge erschienen, nach uud nach beinahe völlig aufhört. Wir finden in denTagebüchern" der vierziger Jahre noch genug Aufzeichnungen dieser Art, während sie später immer mehr zurücktreten. Nur ein paar Proben mögen das Wesen dieser Reflexion näher erläutern. Hebbel zeichnet auf:Ein Maler, der für sein höchstes Kunstwerk ein schönes Mädchen als Modell ge­braucht und sie dann tötet, damit kein zweiter sie gebrauchen und niemand sagen könne, es sei Porträt," oder:Ob jemand wohl so durstig werden kann, daß er ein Glas Wasser trinkt, welches vergiftet ist," oder:Eine Bartholomäusnacht, aber in audcrm Sinne als die erste, um die Bevöltcrnng der Erde auf das ihrer Produktiouskraft entsprechende Maß zu rednzircn, infolge allgemeinen Volksbeschlnsses." Das Spielen mit solchen und ähnlichen Problemen hört in der Periode, in welcherAgnes Bernaner,"Michel Angelo,"Gygcs und seiu Ring," dieNibelungen" entstanden, beinahe ganz auf. Der Dichter hatte nur noch einzelne Anwandlungen, gegenüber gewissen Problemen zn vergessen, daß das Maß der menschlichen Dinge sich mit innerer Notwendigkeit, allen Abstraktionen zum Trotz, herstellt. Wenn er die Frage aufwarf, ob nicht ein Rothschild die Ernte ganzer Länder anfkanfen und zu seinem Privat­vergnügen auf dem Halme verfaulen lassen könne, wobei ihnder Staat" als Hüter des Eigentumes schützen müsse, so stellte sich der Staat dem sonst so Scharfsichtigen als ein in alle Ewigkeit nnwcmdelbares Abstraktum dar; er vergaß, daß er eine Gemeinsamkeit von Menschen ist, die unfehlbar vom Recht des Krieges gegen den Einzelnen Gebrauch machen würde, der ihr in der angedeuteten Weise den Krieg erklärt hätte. Aber, wie gesagt, in eben dem Maße, als Hebbel die Segnungen eines lichtem Daseins, eines frohen Gedeihens empfand und dankbar würdigte, trat die Neigung zu diesem finstern Gcdcmkenspiel zurück. Die späternTagebücher" bezeugen eine unverkennbare Neigung, sich auch den anmutigern und erquicklichern Eindrücken des Lebens zu überlassen, der Reiz und eigentümliche Duft, welcher die lyrischen Spätlinge Hebbels auszeichnet, erfüllt auch zahlreiche kleine Bilder, die uns aus den letzten Blättern derTagebücher" entgegentreten.

Überhaupt aber und das ist Wohl die Hauptsache welche offene, männlich tapfere, pflichtstrenge, im besten Sinne ritterliche, welche große, iu allen Hcmptsacheu edle, in schwerer Selbstzucht geläuterte Natur, welch ein