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Der eine versteht dies, der andre das, lachte Julie, wenn ich mich so mit den Bauern verständigen könnte wie dn, wäre es mir auch recht; aber sie nennen mich stolz und hart. Ich glanbe, die meisten bekommen einen Schrecken, wenn ich über die Schwelle trete. Mir fehlt eben die Geduld. Die Schwestern mochten sich in dieser Zeit kaum trennen, und wenn es auch nur auf Stunden war. Julie gab sich Mühe, liebenswürdig zn sein, das heißt, sie machte leine Anspielungen auf Pfarrer und Liebeleien, was sie sonst wohl als für Mathilde sehr zuträglich erachtet hatte. Diese aber benahm sich musterhaft und war zu gutcrletzt noch lustiger und heiterer als Julie selbst.
Eines Morgens kam ein Brief von Valcrian, in welchem er meldete, daß er sein drittes Examen zu machen gedenke. Natürlich rief dieser Entschluß in Siebenhvfcn großen Jubel hervor.
Wenn er sich mir ins Auswärtige Amt versetzen lassen wollte, sagte Julie. Er ist ein so guter Kopf und hat eine so gewandte Feder!
Nnn, dn siehst ihn Wohl schon als Botschafter auf dem wichtigsten Posten, lachte der Baron, es geht doch nichts über eine ehrgeizige Schwester.
Warum nicht, Onkel Georg? Er sollte nur selbst etwas mehr Ehrgeiz haben. Ach, wenn ich an seiner Stelle wäre!
Zu ihrem Acrger wurde sie, trotz ihrer blitzenden grauen Augen, ausgelacht.
Es giebt ja jetzt Universitäten, an denen cmch Damen studiren können, Jnlie, es ist immer noch Zeit.
Sie warf den Kopf in die Höhe. Habe ich mich jemals benommen wie ein emanzipirtes Frauenzimmer? Aber es ist wirklich zum wild werden, wenn ihr alles, was ich sage, verkehrt auffassen wollt!
Aber Julie, Kind! Wo hast du dcun den Philosophen gelassen?
Sie lachte mitten in ihrem Zorn. Will ihn mal suchen, Onkel, nnd sie ging zur Thür hinaus.
Aber die arme Jnlie hatte jetzt entschiedenes Unglück mit ihrer Philosophie. Am Tage vor Mathildens Abreise befand sie sich trotz aller Gegenbemnhung in einem bestündigen Weinen, sodciß, als der Wagen vvrfuhr, der die Reisenden zur Statiou bringen sollte, ihre Augen derartig rot und geschwollen waren, daß sie beschloß, einen ihr ganz verhaßten getupften Schleier vorzunehmen, des Austands halber, wie sie sagte. Baron Georg riet ihr, nicht mit nach Rummels- hcmsen zu fahren, aber Julie sagte: Ich muß die Mathilde uoch bis zuletzt habeu.
Sei doch uicht uärrisch! rief die Taute, es ist ja doch keiu Abschied fürs Leben!
Ihr kam es aber so vor; sie konnte sich nicht helfen. Es war eben das erstemal, daß die Schwestern sich trennen mußten. Mathilde rührte Juliens Kummer sehr. Sie war gewohnt, die Schwester bei weitem weniger von alltäglichen kleinen Kümmernissen berührt zu sehen, als sie selbst es war, uud sie hatte eiue gewisse Hochachtung vor Juliens philosophischem Gleichmut. Umso lebhafter empfand sie diesen starken Beweis schwesterlicher Zärtlichkeit. Noch aus dein Koupcefeuster wiukte sie mit dem Taschentuche, so lauge sie die Gestalt der Schwester unterschied, die dort im grauen Kleide neben Tante Cäcilie und beiden Herren von Schesflingen ans dem Bahnhofe stand.
Ja so ein Abschied, gnädiges Fräulein! seufzte Emilchen, nachdem der schnanbenve Zug ihren Blicken entschwunden war. Jnlie wandte ihren traurigen Blick langsam dem Sprecher zu; er drehte die Enden seines pvmadisirten Schnnrrbartes, und der ihr zu Gefallen mühsam zur Schau getragene Kummer