Literatur.
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weises bedarf. Allein unter den sechs Namen, welche er aufzählt, lassen vier keinen Zweifel über die Nationalität der Personen aufkommen. Da wird erzählt, daß „die größte Tragödin aller Zeiten, Nachcl" aus dem Aargau stammte, „die Mutter der französischen Chauvinistin und Neklameheldin Sarah Bernhardt" aus der Gegend von Frankfurt, daß anf dem IInMi'v trane-ais ein Herr Worms Liebhaber und ein Fräulein Rcichenberg Naive spielt. Also lauter Juden, und daß das Jndentnm gegenwärtig auch das deutsche Theater beherrscht, lehrt jeder Blick ans die Mitgliedervcrzeichnisse. Uud das eine wie das andre sollte Herrn P. Lindan entgangen sein? Zum Glück fällt uns ein, daß er ein großer Satiriker ist, und nun erkennen wir die nach verschieduen Seiten gerichteten Spitzen in jenem Artikel. Indem der Verfasser, der vielleicht kaum mehr die Nachel gesehen hat, sich stellt, als habe er, ein andrer Paris, sämtliche große Tragödinnen aller Zeiten vor sich Probe spielen lassen, verspottet er offenbar die Manier vieler seiner Kollegen, dergleichen unmögliche Parallelen zn ziehen. Und ebenso will er ohne Zweifel auf das Bedenkliche der Methode aufmerksam machen, nach dem Name« die Nationalität zu bestimmen nnd darnach der betreffenden Nation diese oder jene Eigenschaft beiznmesseu. In der That ließe sich ebenso behaupten, daß die Deutschen cin besondres Vcrschwörertalent hätten, weil zahlreiche vorsichtige Nihilistenführer Namen wie Hartmann u. f. w. tragen, oder daß die Deutschen schon mit Vorliebe Wucherer oder Einbrecher würden, weil die Kriminalstatistik aller Länder auf den bezeichneten Gebieten so viele Zusammensetzungen mit Gold und Silber, Löwe nnd Hirsch, Rose und Fcigel u. s. w. kennt. Die Satire ist also berechtigt, nur hat der Verfasser außer Acht gelassen, daß sie, wenn zu fein, leicht für Ernst genominen wird nnd ihr Ziel verfehlt. Und wenn ihm das begegnete, würde es ihn doch sehr kränken.
Literatur.
Heidelberger Studcntenleben zu Anfaug unsers Jahrhunderts. Nach Briefen und Akten von Dr. Ed. Hcyck. Mit vier Lichtdruckbildern nach Originalen im Besitze der hiesigen Universitätsbibliothek. Heidelberg, Winter, 13L6.
Zu Anfang nnsers Jahrhunderts erlebte die Heidelberger Universität einen bedeutenden Aufschwung, wozu mehrere Umstände beitrugen. Die großherzoglich badischc Regierung zog hervorragende Männer der Wissenschaft, zumal aus Nvrd- dentschlcmd, mit der größten Freigebigkeit heran, um die ihr neu zugefallene, ehemals knrpfälzischc Hochschule zu heben. Und anderseits kam die allgemeine Politische Lage Deutschlands, welche unter dem Drucke Napoleons schmachtete, und die besonders begünstigte Lage Heidelbergs, welches zu einem Rheinbundstaate gehörte, der von dem gewaltigen Machthaber möglichst geschont wnrde, der Frequenz der Universität zu Gute, sodaß von allen Seiten Studenten herbeiströmten, die einen friedlichen Ort für ihre Studien suchten. Dies hatte nun wieder Umwandlungen im sozialen Verkehr derselben zur Folge, und in diese Verhältnisse führen nns die Schilderungen Hchcks ein. Im wesentlichen, erklärt er selbst, sind sie Ergänzungen zu deu „Heidelberger Erinnerungen" von Georg Weber; dieser bewegt sich meist im Kreise der Professoren; Heyck, der offenbar noch ganz voll ist von der seligen Burschenzcit, trägt Bausteine zu einer Geschichte des Studententnms herbei. Die vier Bilder, welche von dem Vater des jetzigen Universitätsbnchhändlers Winter herrühren, sind eine ebenso anmutige wie charakteristische Zugabe.