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in die hintern, entlegeneren, vielen Berlinern daher kaum bekannten Partien des Tiergartens über.
Dies ist imr ein Beispiel von den riesigen Dimensionen, in denen das Vorrücken Berlins in die umgebende Landschaft sich vollzieht. Allerdings ist es dasjenige, welches dem Fremden am stärksten zum Bewußtsein kommt; denn dieses „Potsdamer Viertel" ist ja — und mit Recht — ein Hauptstolz der Berliner, die sich nnd andern wahrheitsgemäß sagen, daß Deutschland an keinem zweiten Orte etwas ähnliches auszuweisen habe. Dahin rückt denn auch mehr und mehr der Schwerpunkt des feinern geselligen und geistigen Lebens von Berlin. Von diesem Staudpunkte aus ist unleugbar der westliche Teil der Leipziger Straße, vom Leipziger Platz bis zur Charlvttenstraße, das wahre Zentrum von Berlin geworden, und der Potsdamer Platz liegt heute nicht mehr an der Peripherie, sondern in unmittelbarster Nähe des Zentrums, Man hat längst mit Recht darauf hingewiesen, daß die in Berlin sich vollziehenden Verschiebungen mehr bedeuten aw die veränderte Lebensstellung der in diesem und in jenem Stadtteile wohnenden Menschen, nnd daß Berlin im Begriffe steht, besondre, ausgedehnte „Geschäfts-Stadtteile" auszuscheiden, in denen sozusagen niemand mehr wohnt, womit dann eine schärfere Präzisirung der den verschiedensten Bevölkernngsklassen zukommenden Wohnstadtteilc ganz von selbst Hand in Hand gehen wird. Alle diese Verhältnisse sind so großartig und für ganz Deutschland von solcher Bedeutung, daß es gewiß vielen Lesern d, Bl. nicht unerwünscht sein wird, wenn ich im Auschlusse an das in meinem ueulicheu Artikel „Der große Berliner Maurerstreik und die bauliche Entwicklung von Berlin" hierüber gesagte den Versuch einer zusammenfassenden Darstellung dieser im Gange begriffenen Neugestaltung von Berlin und des voraussichtlichen Fortganges derselben für die nächste Zeit unternehme.
Dasjenige, was wir in unsern jünger» Jahren als das „alte Berlin" kannten oder beschreiben hörten, begrenzte sich deutlich und einfach genug. Westlich reichte es bis an den Tiergarten und streckte sich an zwei Stellen — im Norden mit den „Zelten" ans dem linken und Mvabit auf dem rechten Spreeufer, im Süden mit der Potsdamer Straße und den von ihr ausgehenden Straßen — den Tiergarten entlang, ihn gleichsam von zwei Seiten umfassend. Südlich bildete der Landwehrkanal die äußerste Grenze, ohne daß jedoch (zumal auf der Ostseite) das Terrain bis zu demselben ausgefüllt gewesen wäre; vom Hallischeu Thore her gingen wohl einige Straßenansätze über den Kanal hmans in der Richtung znm Krenzberg und nach der Hasenhaide, aber bedeutend war das nicht, und an eine Ausdehnung bis zum Kreuzberge oder bis zu dem dahinter sich ausdehnenden „Tempelhvfer Felde" oder gar bis zu dein links davon gelegenen großen Dorfe Nixdorf nnd dem weiterhin an der Spree gelegenen Treptow dachte damals noch kein Mensch. Östlich stieß die Stadt an den Friedrichshain; die Ortschaften Lichtenberg und Friedrichsberg, sowie