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Die proportionale Berufsklassenwahl.
alle Gaue des Reiches in sv kleinen Partikelchen verteilt, daß ihr numerisches Gewicht in den au der Urne erfochtenen Wahlsiegen keineswegs zum korrekten Ausdruck gelaugt. Besonders in der Zusammensetzung des gegenwärtig vereinigteu Reichstages ist infolge der großen Zahl von Stichwahlen und der dadurch hervorgerufenen, zum Teil ganz unnatürlichen Wahlbündnisse das eigentliche Wahlergebnis verschoben und, wenn man will, gefälscht. Nach Maßgabe des Verhältnisses der abgegebeueu Stimmen hätte die sozialdemvkratische Partei nicht viernndzwanzig, sondern siebenunddrcißig Sitze erhalten müssen.
Es ist nicht unsre Absicht, auf eine theoretische Untersuchung der inneren Gründe dieser Bewegung einzugehen. Auch halten wir es für überflüssig, in den Chorus der Vorwürfe einzustimmen, mit welchen sich die andern politischen Gruppen überhäufen, indem sie sich gegenseitig die Schuld unzureichender Abwehr gegen die Bestrebuugeu der Umsturzpartei zuschieben. Es ist ja richtig, daß die Lässigkeit vieler Staatsbürger und die tadcluswerte Gleichgiltigkeit der höheren Gesellschaftsklassen die Agitation der Sozialisten begünstigt. Ebenso gewiß ist, daß bei den Wahlen ungesunde und nnmoralische Koalitionen mit der Sozialdemokratie geschlossen worden sind, um persönlich gehaßte Gegner der konknrrirenden Parteien abzudrängen. Die Folgen dieser bedauerlichen Wahltaktik werde» wir alle zu büßen haben. Duobus oortMckibas tortius g-i-Mol. Wir müssen aber die Thatsache kvnstatiren, daß uns aus der Bewegung, die deu vierten Stand ergriffen, eine Gefahr heranwächst, welche das Gespenst einer sozialen Revolution nicht bloß in uebelhafteu Umrissen, sondern schon in bestimmt gezognen Linien erkennen läßt. Diese Erscheinung mit reaktionären Beschwörungsformeln bannen zn wolle», verriete einen strafbaren Leichtsinn oder klägliche Uttwissciiheit. N»r eine tiefgreifende Umgestaltung unsers hentigen Staatslebens würde die weitgehenden Wünsche der Arbeiterpartei befriedigen. Eine svlche Umwälzung aber können wir nicht näher rücken sehen, ohne wenigstens deu Versuch zu macheu, gegen die steigende Welle der Unzufriedenheit einen Damm aufzurichten oder ihr Niveau durch ein zweckmäßiges System von Abzugskanälen herabzudrücken. Dieser Versuch ist gemacht worden, aber weder der Damm des Sozialistengesetzes, noch die Znsicherungen staatlicher Fürsorge für invalide oder notleidende Arbeiter verbürgen für die Dauer ausreichenden Schutz. Wir wiederholen es: die Sozialdemokratie kann sich ihrem innern Wesen nach mit partiellen Zugeständnissen nicht abfinden lassen. Ihren radikalen Forderungen gegenüber ist es Pflicht aller staatserhaltenden Elemente, sich fest zusammenzuscharen, die kleinlichen Parteifehden und persönlichen Zänkereien aufzugeben und mich einem letzten Mittel zu suchen, das, durchgreifender als Palliativmaßregeln, den Staatsorganismus vor der droheuden Auflösung schützt.
Ein derartiges Mittel nun bietet sich uns in einer Revision des Wahlgesetzes, und zwar einer solchen, die einschneidend genug wäre, um eine partielle Auflösung und Umbildung des ganzen heutigen Parteiwesens zu veranlassen.