Notizen.
Bismarck und die Sonntagsruhe. Unter dieser Überschrift findet sich auf S, 589—691 der diesjährigen Grenzbvten eine mit F. A. unterzeichnete Betrachtung, der wir einiges hinzufügen möchten. Es handelt sich um die Unterscheidung von Sonntagsruhe und Heiligung des Sonntags. Die Aufrechterhaltung der Sonntagsruhe gehört zu den Obliegenheiten der Polizeibehörden (Z 366 Nr. 10 des Reichsstrafgcsetzbuches), welche in dieser Beziehung ohne besondre gesetzliche Ermächtigung mit Einzelverfügungcn und Polizciverordnuugen einschreiten können, wobei uur der Unterschied besteht, daß im Falle des Erlasses einer Polizeiverordnung die Höhe der Strafe durch das Strafgesetzbuch bestimmt ist, wahrend für die Einzel- Verfügungen in dieser Beziehung besondre Vorschriften maßgebend sind. Dagegen gehört das Recht, Anordnungen gcgcu die Störung der Feier der Sonu- uud Festtage zu erlasseu, also die Souutagsheiligung zu fördern (K 366 Nr. 1 a. a. O.), ursprünglich zu dcu Aufgaben der Kirche, nud uur, weil sich die einzelnen im Staate nebeneinander bestehenden Rcligionsgesellschaften gegenseitig bindende Vorschriften nicht machen köuuen, zn den Aufgaben der staatlichen Kirchcngesetz- gebung, also nicht der Polizei.
Dabei fragt es sich nur, ob das Reich gesetzlich in der Lage ist, diese Angelegenheiten allgemein zu regeln, oder ob dies nicht vielmehr deu einzelneu Landesregierungen überlassen werden muß. Für die letztere Auffassung spricht der Umstand, daß in den deutscheu Territorien seit der lutherische» Reformation der Summepiskopat über die „Kirche" im allgemeinsten Sinne*) den einzelnen Landesherren zusteht, uud ferner, daß im vierten Artikel der Reichsverfassuug die Angelegenheiten der Sonntagsheiligung nicht zn den Angelegenheiten gehört, welche der Gesetzgebung des Reiches unterliegen sollen. Zwar ließe sich eine derartige Befugnis des Reiches imxlieite daraus herleite», daß dem Reiche z. B. die Gcwerbe- gesi'tzgcbuug u. s. w. übertragen worden ist, wobei auch gelegentlich Vorschriften über die Sonntagsarbeit eingeflochten werden können; allein so ganz unbedenklich ist die Beantwortung dieser Zustttndigkcitsfrage doch nicht, wenn auch die Landesherren als Inhaber des Summepistopates im Buudesrate ihre Vertreter haben und den Resultaten der Gesetzgebung stillschweigend zustimmen. Wenn also der Reichskanzler diesen Verhältnissen gegenüber Bedenken trägt, auf die Wünsche der die Sonntagsheiligung anstrebenden Bcvölkerungsklasscn die Neichsgesetzgcbnng in Bewegung zu setzen, so ist das wohl begreiflich, und es liegt auch nicht der geringste Anlaß zu der° Annahme vor, daß hierbei subjektive Anschauungen über Wert oder Unwert der Souutagsheiligung in Betracht kommen.
Hiernach läßt sich auch beurteilen, inwieweit der Schritt der Bielefelder lutherischen Pastornlkonfereuz, welche bei dem Reichskanzler dahin petitiouirte: „er möge feinen mächtigeu Einfluß zur Wahrung nnd Hebung der Sonntagsruhe und -Heiligung einsetze«, damit Gottes Segen auf der sauern Arbeit des Volkes ruhe,"° gerechtfertigt war und Aussicht auf irgendwelchen Erfolg hat. Was die Sonntagsruhe betrifft, so bedarf es, wie bereits angedeutet, einer höhern Eiu-
Siehe die „Etymologischen Studien" von Dr. G. Legerlotz, dem Direktor des königlichen Gymnasiums in Salzwedel. Dieser auch juristisch wertvolle Aufsatz ist enthalten in einer Festschrist zur Feier der Einweihung des neuen Gymnasialgebäudcs im I. 1882. Grenzboteu Il> 188S. 88