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Sollen wir unsre Statuen bemalen?
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Die österreichischen Wahlen. 6Z3

an konkretem Material zu bilden und das Votum des Geschmackes abzugeben. Denn auch wir hoffen, daß Sempers Wort Wahrheit behalten werde:Kon­vention und Geschmack, das sind die beiden heilsamen Gegengewichte schranken­loser Freiheit in der Kunst."

L. U.

Die österreichischen Wahlen.

ie sogenannte liberale Presse in Österreich uud einige Gesinnungs­genossen außerhalb sind in großer Nnfregnng, weil mehrere Wahlbezirke zur Abwechslung einmal nicht einen Juden zu ihrem Vertreter im Reichsrat ernannt haben. Es giebt kaum ein Schmähwort, welches den Wählern nicht augehängt würde. Der fremde Zeitungsleser könnte glauben, daß gewisse Vorstädte Wiens fast nur von Trunkenbolden uud uumündigeu Knaben bewohnt seien, von denen die letzteru merkwürdigerweise im Besitze des aktiven Wahlrechtes sein müßten. Sogar die soust nur bei den Tschechen beliebte Kornblumcndcnunziation wird voudentsch- libernlen" Blättern nicht verschmäht. Und doch haben jene und noch verschiednc andre Wahlen eine Seite, welche im allgemeinen interessanter und noch besonders geeignet ist, die Journalistik zum Nachdenken anzuregen. DieAntisemiten," dieDemokraten" und dieJungdeutschen," welche im nächsten Reichsratc sitzen werden, haben nämlich gar keine oder höchstens solche Blätter zur Verfügung, welche wöchentlich oder in noch längeren Fristen erscheinen, nicht von Inseraten, sondern kümmerlich vom Abonnement der Parteifreunde leben; diese Parteien sind auch uicht in der Lage, große Summen für Wahlagitationen aufzuwenden. Und dennoch haben sie über Gegner den Sieg davongetragen, welche, häufig in einflußreichen Stellungen, sich der energischen Unterstützung aller weitver­breiteten Zeitungen zu erfreuen hatten. In so vielen Tausenden von Exemplaren wurde täglich dem Wähler die Versicherung erteilt, er könne sich unendlich glücklich schätzen, daß die altbewährteu Kämpen, die Säuleu des Verfassungs- lebcns, sich noch einmal herbeilassen wollten, ein Mandat zu übernehmen die Existenz von Gegenkandidaten wurde den meisteu Lesern erst durch den Aus­gang der Wahleu bekannt. Unmöglich kann diesechste Großmacht" verkennen, daß sie es ist, welche die schwerste Niederlage erlitten hat; und wenn sie glaubt, durch Schelten uud Verdächtigen aller Menschen von unabhängiger Gesinnung

Grmzbotm II. 188K. 80