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Wagen schon ausgeglichen werden, zu Fuß aber noch nicht. Dann die Schnelligkeit der Fahrt! Anfangs kommt einem dieselbe garnicht recht zum Bewußtsein, und man hat den Eindruck, als konnten und müßten die Pferde viel schneller laufen; achtet man aber auf die Streckenzeichcn, so merkt man bald, daß selbst cm lumpiges Mietfuhrwerk in 4 bis 4^ Minntcn, ein herrschaftlicher Wagen auch wohl in 3''^ Minuten einen Kilometer führt, und das bedeutet in 30 bis 34 oder in 28 Minuten eine deutsche Meile. Und so wird nicht nur eine, sondern in gleichem Trabe werden auch hintereinander drei bis vier Meilen gefahren; wird's noch mehr, so muß allerdings eine Pause gemacht werden, und da ist es denn wünschenswert, den ostpreußischen Kntscher einerseits anzutreiben, anderseits ihn schürf im Ange zu behalten, sonst kneipt er sich fest. Von dieser Schwierigkeit abgesehen, gehört eine solche energische Fahrt von einigen Meilen in Ostpreußen bei schönem Wetter zu den höchsten, Geist und Lunge erfrischendsten Genüssen, die wir kennen gelernt haben.
Daß in Ostpreußen prinzipiell nicht viel „gegangen" wird, ist schon aus dem geringen Maße ersichtlich, mit dem in der Provinzialhauptstadt Königsberg für Spaziergänge gesorgt ist. Wohl keine große Stadt in Deutschland ist mit Gelegenheiten hierzu so stiefmütterlich ausgerüstet. Nicht einmal die Promenade um die Festungswälle ist vollständig vorhanden, und das übrige ist sehr kurz beisammen: der schöne, schattige Weg durch die „Hufeu," eine Gruppe von Verguüguugsetablisseinents, Wirtsgärteu und Villen, der kleine, allerdings recht hübsche Park Lnisenwahl ganz in der Nähe, die schattenlose, wiewohl nicht uninteressante Straße nach der angenehmen Brauerei Schöubusch uud weiterhin nach dem Dorfe Kalgen, einige Wirtsgärten vor den Thoren — das ist in unmittelbarer Nähe alles, und was weiter hinaus ist, Preil, Vicrbrüderkrug, Eichenkrug, Neuhausen. Tannenkrng, Arnau, Löweuhageu (letzteres besucht wegen der Nähe des Dönhofschen Schlosses Friedrichstein mit schönem Park), das ist doch für die meisten Leute uur zu Wagen oder mit Dampfboot und Eisenbahn erreichbar. Höchstens Juditten und Trencker Waldhänschen wären auch für einen größeren Familieuspaziergang zugänglich; im übrigen müßte man sich zu diesem Zwecke mit den Chausseen begnügen, die schon ohnehin meist nicht besonders amüsant sind und hier am wenigsten. Kurz, Königsberg ist in dieser Hinsicht entschieden eine uuangeuehme Stadt, und die nächstgroße Stadt Ostpreußens, Tilsit, ist noch schlimmer daran, ebenso die Mittelstädte Rasteuburg, Osterode uud Bartenstein; auch Memel hat, außer seinem Strandspaziergang, nicht viel. Besser steht's in Jnsterburg, in Gnmbinnen uud vor allem iu Allenstein. Jnsterburg hat nicht nur an und für sich den Vorteil einer hübschen Umgebung mit manchen sehr lohnenden Ausflugsgelegenheiten (nach Georgenburg, Karalene, Bubcünm u. s. w.), svudern hat vor allem sein wirklich reizendes „Schützenthal" dicht bei der Stadt; wer von Westen oder Süden mit der Bahn in Justerbnrg